Page - 174 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 174 -
Text of the Page - 174 -
174 Marija Wakounig
Beibehaltung der Breslauer Bezüge für Fleischhacker ausgehandelt zu haben98. Vermut-
lich, weil diese nicht eingehalten wurde, dürfte Uebersberger mit insistierenden Nach-
fragen 1935/1936 selbst ein Disziplinarverfahren losgetreten haben99, im Zuge dessen
charakterliche Schwächen des in wilder Ehe mit seiner Assistentin Fr. Fleischhacker lebenden
Ordinarius festgestellt wurden. In diesem Kontext schreckte man vor frauenfeindlichen,
rassistischen und diskriminierenden Behauptungen, dass sie weitgehend[en] Einfluss auf
ihn ausübe und dass sie wegen ihres Aussehens allgemein als Jüdin angesehen werde, nicht zu-
rück. Dabei kam man jedoch nicht umhin zu versichern, dass Fleischhacker ihre arischen
Wurzeln nachgewiesen habe100. Es folgte zwar noch eine vertrauliche Mitteilung ähnlichen
Inhalts ans Reichsministerium und das war es auch vorläufig. Der Imageschaden war für
beide ohnehin beträchtlich, denn zu den folgenden Schwierigkeiten gesellten sich auch
erhebliche Probleme mit dem Scheidungsverfahren.
Zur so genannten Nagelprobe wurde jedoch das Habilitationsverfahren von Fleischha-
cker. Obwohl die enge Beziehung zwischen der Habilitandin und dem Ordinarius ein un-
überhörbares Gesprächsthema war, ignorierte Uebersberger die ungeschriebene Unverein-
barkeitsregel und verfasste selbstverständlich das Erstgutachten. In diesem stimmte er eine
Lobeshymne auf die wissenschaftlichen Arbeiten und die redaktionelle Tätigkeit Fleisch-
hackers bei den „Jahrbüchern für Kultur und Geschichte der Slaven“ an, die in Übertrei-
bungen über die Erkenntnisse der Habilitationsschrift „Die staats- und völkerrechtlichen
Grundlagen der moskauischen Außenpolitik vom 14. bis zum 17. Jahrhundert“ gipfel-
ten. Der zweitgutachtende Mittelalterhistoriker Fritz Rörig sah sich weder thematisch
zuständig, noch in der Lage, die vorgelegte Schrift als geschichtswissenschaftlich einzustu-
fen, darüber hinaus bemängelte er stilistische und terminologische Unklarheiten101. Das
durchwachsene Zweitgutachten machte 1938 ein drittes notwendig, das vom Philologen
Max Vasmer erstellt wurde, der sich zwar wie Rörig an der bemühten Ausdrucksweise
stieß, aber ansonsten ein doch positives Urteil fällte. Tatsächliche Einwendungen brachte
er später jedoch gegen die Erteilung der Venia docendi, die zur „internen Fehde zwischen
Uebersberger und Vasmer“ ausartete : Im Gegensatz zu Fleischhacker spürte Vasmers As-
sistentin Margarete Woltner, die sich „als erste Frau im Fach Slawistik in Deutschland und
98 1939 wurde die Zusage letztlich eingelöst, nachdem offensichtlich war, dass Fleischhacker die “Jahrbücher für
Kultur und Geschichte der Slaven“ redaktionell betreute, verschiedene Lehrveranstaltungen abhielt, wissen-
schaftliche Aufsätze publizierte und sich auch 1938 habilitierte. Dazu ausführlich ebd. 82–85.
99 In seinem Brief an Bittner nimmt Uebersberger kryptisch Stellung zu den Vorgängen ab November 1935,
die im Februar 1936 mit einer juristischen Niederlage endeten und behauptete, dass sich meine Gegner auch
meiner Frau bedient haben. Uebersberger an Bittner, Berlin 29.07.1936, HHStA, NL Bittner, 3–2–513.
100 Berger, Historikerinnen (wie Anm. 58) 93.
101 Ebd. 87f. Zum Befund, dass Fleischhackers Arbeiten sehr gut lesbar, aber auch teilweise ohne Nachweise und
phantasiereich gewesen seien, siehe Leitsch, Stoy, Seminar (wie Anm. 2) 150.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625