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Hans Uebersberger (1877–1962) 179
Wie schon erwähnt, kämpfte Uebersberger um seine wirtschaftliche und wissenschaft-
liche Reputation. Auch seine Ehefrau konnte an die wissenschaftlichen Leistungen der
Breslauer und Berliner Zeit nicht mehr anknüpfen134. Fragen, ob sie sich als „Wissen-
schaftlerin […] tendenziell aus der Osteuropaforschung zurückzog oder nicht mehr zum
inneren Kreis der Experten zugelassen wurde“135, sind angesichts der spärlichen Quel-
lenlage schwer zu beantworten. Allerdings kamen Fleischhacker zwei Fähigkeiten sehr
zugute, die sie jedoch unter Umständen als Wissenschaftlerin disqualifizierten, nämlich
ihre schriftstellerische Ader und auch ihr Schauspieltalent136. Die Symbiose dieser litera-
risch-künstlerischen Veranlagung konnte sie vor allem im Roman „Die drei Jahrhunderte
des Kassian Timofejev“ (1960), in welchem ihr Hang zur Phantasie nicht störend war,
verwirklichen. In eine ähnliche Richtung gingen auch die literargeschichtlichen Werke
„Katharina II. in ihren Memoiren“ (1972) und „Mit Feder und Zepter : Katharina II. als
Autorin“ (1978). Das Forscherehepaar Fleischhacker-Uebersberger dürfte es nach dem
Zweiten Weltkrieg in München genauso wenig leicht gehabt haben wie in Wien, Bres-
lau und Berlin137 : nicht nur, weil sie nicht die Ideologie ablegten, sondern nur die Orte
wechselten, auch, weil sie wegen ihres Lebens innerhalb ihrer akademisch-konservativen
Kreise als Fremdkörper wahrgenommen wurden, und auch, weil sie trotz ihrer (deutsch-)
nationalen Gesinnung österreichisch sozialisiert waren und blieben.
Hedwig Fleischhacker und Hans Uebersberger haben mit unterschiedlichen Mitteln
um die berufliche und gesellschaftliche Anerkennung gekämpft, haben versucht, als Par-
teimitglieder die nationalsozialistische Gesetzgebung (beispielsweise Habilitationsord-
nung 1934, Ehegesetze 1938) zu ihrem Vorteil zu nutzen und wurden letztlich nicht
glücklich miteinander138.
5. versuch einer erklärung
Was haben der Anfang und das Ende der Karriere von Hans Uebersberger mit der Ge-
schichte der Emotionen zu tun oder anders formuliert, kann man mit dieser Herange-
hensweise besser offenlegen, dass berufliche Werdegänge nicht (nur) von Qualifikatio-
134 Dazu auch Berger, Historikerinnen (wie Anm. 58) 85.
135 Ebd. 281.
136 Fleischhacker besuchte in den späten 1920er Jahren parallel zum Studium auch das Reinhardt Seminar.
Leitsch, Stoy, Seminar (wie Anm. 2) 149.
137 Siehe dazu u. a. Freundin Käthe an Fleischhacker, Gaid 12.01.1961, IOS Regensburg, NL Fleischhacker–Ue-
bersberger, K. 122.
138 Die wenigen erhaltenen und zugänglichen Privatbriefe im IOS Regensburg, NL Fleischhacker–Uebersberger,
geben preis, dass sowohl die Ehefrau als auch der Sohn unter dem Ehemann/Vater litten.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625