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Adolf Helbok (1883–1968) 187
die Untaten jener Naturwissenschaftler und Ärzte erinnert, die sich nicht gescheut haben,
Versuche an lebenden Menschen vorzunehmen und auch noch vorgaben, im Dienste der
Wissenschaft zu handeln“13. Am vernichtendsten ist Peter Schöttlers Urteil ausgefallen :
Dieser zählt Helbok gemeinsam mit Walter Frank und Kleo Pleyer zu den „radikalsten
Nazi-Historikern“ überhaupt, „die nicht nur rassistisch, sondern antisemitisch argumen-
tierten“, ja „sich ganz unbestritten in den Dienst des Regimes stellten, die Antisemiten
waren und später, während des Krieges, die Politik des Völkermordes rechtfertigten“14.
Auch die wohl bislang informativste (und vergleichsweise einfühlsame) Abhandlung über
Helbok von Wolfgang Meixner15 stellt sein Nazitum in den Mittelpunkt. Eine bedeu-
tende Ausnahme stellen heutzutage nur die Arbeiten von Reinhard Johler dar ; so erwähnt
dieser auch erst wieder in einem 2009 publizierten Aufsatz zwar sehr wohl die „eindeu-
tigen ideologischen Implikationen“ von Helboks deutschnationaler Grundeinstellung,
gleichwohl „beinhalten“ für Johler Helboks „Initiativen wie auch seine wissenschaftlichen
Veröffentlichungen aber doch auch interessante Ansätze, die frühzeitig Innovationen der
Geschichtswissenschaft aufnahmen und zum Teil auch weiter führten. Gemeint sind da-
mit die Orientierung auf die landeskundliche Perspektive, die Hinwendung zur Wirt-
schafts- und Sozialgeschichte sowie die Betonung der historischen Hilfswissenschaften
und damit die Erschließung neuer Quellen für die Siedlungsforschung“16. Das vermutlich
komplexeste rezente Urteil über Helbok überhaupt stammt von Friedemann Schmoll :
„Sein [sc. Helboks] Weg führte […] in Kontrastierung zu einer politischen Ereignisge-
schichte zur Volksgeschichte und schließlich über die Landesgeschichte zur Volkskunde.
Helbok sollte dabei vom jungen Siedlungs- und Heimathistoriker der Kaiserzeit über den
innovativen Volksgeschichtler der 1920er Jahre, den interdisziplinär orientierten Volks-
tumsforscher der frühen 1930er Jahre hin zum rassistischen ‚Diagnostiker am Leibe des
Volkes‘ und wissenschaftlichen Apologeten eines abendländisch-europäischen Kulturrau-
mes nach 1945 sämtliche Metamorphosen durchlaufen.“17
13 Gerhard Heitz, Rudolf Kötzschke (1867–1949). Ein Beitrag zur Pflege der Siedlungs- und Wirtschafts-
geschichte in Leipzig, in : Karl-Marx-Universität Leipzig 1409–1959. Beiträge zur Universitätsgeschichte 2
(Leipzig 1959) 262–274, hier 273f.
14 Peter Schöttler, Deutsche Historiker auf vermintem Terrain. Einleitende Bemerkungen, in : Das Deutsche
Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz, hg. v. Ulrich Pfeil
(Pariser Historische Studien 86, München 2007) 15–31, hier 20 und 17f.
15 Meixner, „… eine wahrhaft nationale Wissenschaft der Deutschen…“ (Bibl.) ; freilich musste „in diesem Bei-
trag noch vieles holzschnittartig verkürzt bleiben“ (132) ; immerhin hat Meixner auch m.W. als erster seit dem
NS-Gutachter „Dr. Meyer“ (siehe unten S. 274f.) eine gewisse Entwicklung in Helboks während der NS-Zeit
erschienenen Arbeiten wahrgenommen (130).
16 Reinhard Johler, Richard Beitl (Bibl.) 130f. Auch die vier Helbok betreffenden Aufsätze von Reinhard Joh-
ler aus dem Jahr 1994 (Bibl.) sind sehr informativ und ausgewogen.
17 Schmoll, Vermessung (Bibl.) 117. Eine Ausnahme stellt auch Ulrike Lang dar, die ihn ihren eigenen Ziel-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625