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198 Martina Pesditschek
Schließlich wurde Helbok auch noch im letzten Kriegsjahr, mit 18. Februar 1918, von
der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege zum Korrespondenten ernannt81. Als im
November desselben Jahres das Monument des kakanischen Reiches stürzte, begnügte man
sich in Vorarlberg alsbald nicht mehr mit der sogleich vollzogenen administrativen Tren-
nung von Tirol, und es setzte eine Volksbewegung zugunsten eines Anschlusses von Vor-
arlberg an die Schweiz ein, wobei auch antisemitische Motive mit im Spiel waren82 ; dem-
gegenüber propagierten die Vorarlberger Deutschnationalen vielmehr einen Beitritt zum
Deutschen Reich oder zumindest zu einem süddeutschen Staat (Bayern oder Württemberg),
wobei auch manche Parteigänger der letzteren einen antisemitischen Zungenschlag aufwie-
sen ; dies gilt etwa für den Journalisten Hans Nägele83, der darauf hinwies, dass es auch in
der Schweiz zu viele Juden gebe, und für dieses Nachbarland weiters konstatierte, es finde
sich dort „ein Völkergemisch, wie wir es im alten Österreich auch nicht viel schlimmer
besassen“, wobei auch die „polnischen Juden“ der Monarchie eine gehässige Erwähnung
erfuhren84. Helbok unterstützte damals – ganz ohne antisemitische Argumente – erwar-
tungsgemäß die Deutschnationalen und ergo einen Anschluss an Deutschland85. Für den
81 AdR, PA AH, fol. 6.
82 Siehe besonders Christian Koller, „… der Wiener Judenstaat, von dem wir uns unter allen Umständen tren-
nen wollen“. Die Vorarlberger Anschlussbewegung an die Schweiz, in : … der Rest ist Österreich : das Werden
der Ersten Republik 1, hg. v. Helmut Konrad, Wolfgang Maderthaner (Wien 2008) 83–102.
83 (1884–1973) ; Barnay, Erfindung (Bibl.) v.a. 393f.; Ulrike Lang in : GulBransson, Tagebücher 4 (Bibl.)
225 Anm. 511 ; Johler, Richard Beitl (Bibl.) 128, 133 ; Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 52f.
84 Koller, Wiener Judenstaat (wie Anm. 82) 91 ; vgl. Barnay, Erfindung (Bibl.) 393.
85 Ebd. 366, 393–395f.; Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 5 : Kanton oder Bundesland. Untergang
und Wiederkehr (Wien/Köln/Graz 1987) 50, 55, 85 ; Werner Dreier, Der deutsche Anschluß, in : Wer-
ner Dreier, Meinrad Pichler, Vergebliches Werben. Mißlungene Vorarlberger Anschlußversuche an die
Schweiz und an Schwaben (1918–1920) (Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 5, Bregenz
1989) 119–153, hier 148f.; Pirker, Citadelle (wie Anm. 69) 52, 66 ; Daniel Witzig, Die Vorarlberger Frage.
Die Vorarlberger Anschlußbewegung an die Schweiz, territorialer Verzicht und territoriale Ansprüche vor dem
Hintergrund der Neugestaltung Europas 1918–1922 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 132, Basel/
Stuttgart 1974) 62f. Vgl. UA Leipzig, PA 561, fol. 83 ; auch FahlBusch, Wissenschaft im Dienst der nati-
onalsozialistischen Politik ? (wie Anm. 72) 314 ; Johler, Geschichte und Landeskunde (Bibl.) 454 ; Ders.,
Richard Beitl (Bibl.) 130 ; Koller, Wiener Judenstaat (wie Anm. 82) 91f.; Elfriede Auguste Zuderell, Die
Anschlussbewegung Vorarlbergs an die Schweiz 1918–1921 (Diss. Innsbruck 1946 ; Druckfassung Wolfurt
2008) VI (erwähnt hier bloß zwei Aufsätze Helboks), 31 (Einbindung Helboks in die „Prüfung der histo-
rischen Beilage zum Memorandum“ Vorarlbergs an den Völkerbund). Schloss Helbok in einem „Tagblatt“-
Beitrag die Schweizer von einem Zusammengehen mit Vorarlberg in einem größeren Rahmen nicht aus
(Adolf HelBok, Wir Deutsche alle im zukünftigen Volksstaate !, in : Vorarlberger Tagblatt 1. Jg., Nr. 216
(21.09.1919) 1f.: „Seien wir uns eingedenk, daß die Württemberger, die Badenser, die Schweizer und Elsäßer,
die Bayern links des Lechs und wir Schwaben sind“ ; vgl. Barnay, Erfindung (Bibl.) 366), so betonte er in
der Regel doch (auch noch lange nach 1919) die Unterschiede zwischen Vorarlbergern und Schweizern : Adolf
HelBock [sic], Vorarlbergs Beziehungen zu Schwaben, Schweiz und Tirol in der Vergangenheit (Bregenz
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625