Page - 200 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 200 -
Text of the Page - 200 -
200 Martina Pesditschek
die berufliche Zukunft gesichert erschien, heiratete er kaum zwei Monate später, am 28.
Mai 1919, Theodora Josef(in)a, genannt Dora (geb. am 4. August 1886, gest. am 20. Sep-
tember 1966), älteste Tochter des Stadtrats von Vorkloster (Bregenz) Benedikt Floßmann/
Flossmann, in der Abteikapelle des Stiftes Mehrerau92. Die Ehe blieb kinderlos93. Kaum
vermählt, freundete sich das Ehepaar mit der Schriftstellerin (auch Lyrikerin und Drama-
tikerin) Grete Gulbransson (1882–1934)94 an. Die gebürtige Vorarlbergerin mit adeligen
Ausgabe dieser Texte vorbereitet hatte und einen Verleger suchte, erfuhr ich, daß ein süddeutscher Archivar
damit bereits im Drucke war“ ; HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 10f. Auch bei seinem ersten Habilitationsver-
such teilte Helbok also wieder einmal ein Los Fritz Schachermeyrs, vgl. Pesditschek, Barbar (wie Anm. 28)
106–109.
92 AdR, BPA 83, 2057 ; BAB, R 4901/13266 ; UA Leipzig, PA 561, fol. 184 ; HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 41.
93 Die Ehefrau Helboks ging offenbar keinem Beruf nach ; gleichwohl war sie weniger Hausmütterchen als viel-
mehr eine im Allgemeinen sehr einfühlsame intellektuelle Gefährtin, die für ihn Korrekturen las (Ders.,
Geschichte Vorarlbergs [wie Anm. 24] II), sowohl Parteieintritte als auch Religionsübertritte mit ihm teilte
(siehe unten S. 228 und 248) und ihm, als sie seine Begeisterung für Goethe bemerkte, ein Exemplar des um-
fänglichen „Goethe“-Buchs aus der Feder des Rassisten Houston Stewart Chamberlain (München 1912 und
viele spätere Auflagen) schenkte (HelBok, Erinnerungen [Bibl.] 119). In der „Zeit der völligen äußeren Um-
stellung“ (d. h. offenbar : in der Zeit nach 1945 ohne Pensionsbezug) „hat eine bewundernswerte Eigenschaft
meiner Frau die innere häusliche Lebensform so stark durchgehalten, daß man innerhalb seiner vier Wände
kaum merkte, daß eine ganze Welt zusammengebrochen war. Wie in Zeiten vollster Ruhe und als ob gar nichts
geschehen wäre, pflegte sie neben der ihr immer stärker zufallenden Hausarbeit den Blumenschmuck der Zim-
mer und die durch das Brauchtum des Jahres gegebenen und bei uns immer üblich gewesenen Festbräuche.
Dieses starke und unentwegte Festhalten überlieferter Gewohnheiten mit den wiederkehrenden kleinen tägli-
chen Freuden war mit seiner Selbstverständlichkeit der leise und ständig wirkende Ruhepol im oft stürmischen
Ablauf der Dinge“ (ebd. 176) ; mit „ihr immer stärker zufallenden Hausarbeit“ wird offenbar auf den Umstand
angespielt, dass sich das Ehepaar Helbok zunächst auch noch nach des Professors Entlassung im Jahr 1945
eine „Haushilfe, Lina Moser, eine tüchtige Oberkärntnerin“, geleistet hatte, die dann erst nach ihrer Eheschlie-
ßung (bzw. als Folge der Einstellung der Pensionszahlungen an Helbok Ende Juli 1947) nicht mehr ersetzt
worden ist (ebd. 178). Wie bei Helboks Sturheit und Streitsucht nicht anders zu erwarten, hing der Haussegen
augenscheinlich öfter schief ; eine Ehekrise im Juni 1929 erwähnt GulBransson, Tagebücher 5 (Bibl.) 129 ;
und als Helbok bei seiner Rückkehr an die Universität Innsbruck im Jahr 1941 darauf bestand, in seinem erst
winterfest zu machenden vormaligen Sommerhaus (HelBok, Erinnerungen [Bibl.] 139) „auf isolierter Höhe“
in Götzens zu leben, „kostete es manche Kämpfe mit meiner Frau, die in einer schönen Stadtwohnung ihren
nun beim Spediteur lagernden schönen Hausrat um sich haben wollte“ (ebd. 164).
94 Zu Grete Gulbransson(-Jehly) siehe Grete GulBransson, Der grüne Vogel des Äthers. Tagebücher 1 : 1904
bis 1912, hg. und kommentiert v. Ulrike Lang (Frankfurt a.M./Basel 1998) hier 15–24 „Zu Leben und Wir-
ken Grete Gulbranssons“ ; Dies., Meine fremde Welt. Tagebücher 2 : 1913 bis 1918, hg. und kommentiert v.
Ulrike Lang (Frankfurt a.M./Basel 2001) hier 23–26 „Flucht oder Ignoranz ? Grete Gulbranssons Haltung
zum Krieg“ ; 27–29 „Begegnungen“, 32f. „Die Künstlerehe“ ; Dies., Tagebücher 4 (Bibl.) hier 31–35 „Biogra-
phisches“ ; Dies., Tagebücher 5 (Bibl.) hier 16–43 „Rückkehr in die Heimat“ und außer der hier genannten
Literatur noch Hans Nägele, Vorarlberger Frauenbilder (Bregenz 1973) 73–91 ; Art. „Gulbransson Grete“,
in : ÖBL 2 (Wien 1959) 106 ; Rainer Maria Rilke, Sonetos a Grete Gulbransson, hg. v. Antonio Pau Pe-
drón (Colección Visor de poesía 711, Madrid 2009).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625