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210 Martina Pesditschek
Eduard Spranger147, ‚Der Bildungswert der Heimatkunde‘148“, in der der Autor „einen
scharfen Kampf gegen die abstrakte Fächertrennung“ aufgenommen und „den ganzheitli-
chen Bildungscharakter der Heimatkunde als den Typ der Zukunft“ emporgehoben habe,
sodass Helbok sein „Tun von hoher Warte eines führenden Philosophen gerechtfertigt“
sah149 ; zum anderen Hans F. K. Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“150 : „als
naturwissenschaftlich eingestellter Historiker“ habe er „über die ersten Illusionen hinaus,
die sich die meisten der anfänglichen Bewunderer“ dieses „glänzend“ geschriebenen Wer-
kes gemacht hätten, „die wirklichen Möglichkeiten“ gesehen und auch „bis heute weiter
verfolgt“, war es doch auch noch zur Zeit der Abfassung seiner „Erinnerungen“ seine
„Überzeugung, daß die Geschichtsforschung am Rassegedanken noch eine bedeutende
Vertiefung und Belebung erfahren werde“151. Die von Günther vertretene Auffassung,
dass „politische Führungskraft wie kulturelles Schöpfertum rassisch bedingt und in höchs-
ter Intensität vor allem bei einer Rasse anzutreffen seien, der ‚nordischen‘“152, konnte
Helbok in persönlicher Hinsicht nur zusagen : seine Mutter besaß „blondes Haar, das wie
ein auf beiden Seiten herabgestülpter goldener Helm auf ihrem Kopfe saß, daraus ihre
147 Der Philosoph und Pädagoge Spranger (1882–1963) hat sich übrigens in der Zeit unmittelbar vor und nach
der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland sowohl privat wie öffentlich eher wie ein
NS-Gegner verhalten (vgl. etwa Alban Schraut, Biografische Studien zu Eduard Spranger [Bad Heilbrunn
2007] 289–298), sein Gesuch um Rücktritt vom Ordinariat für Philosophie und Pädagogik an der Friedrich-
Wilhelms-Universität in Berlin vom 25. April 1933 aber dann schon am 10. Juni 1933 wieder zurückgenom-
men und einen offenbar möglichen Wechsel an die Universität Zürich nicht wirklich ernsthaft betrieben.
Im Gefolge seines augenscheinlichen Arrangements mit den Nationalsozialisten hat sich Spranger dann des
öfteren weit kompromittierender geäußert, als dies aller Wahrscheinlichkeit nach für sein (berufliches) Über-
leben im NS-Deutschland notwendig gewesen wäre ; vgl. jetzt v.a. Benjamin Ortmeyer, Mythos und Pathos
statt Logos und Ethos. Zu den Publikationen führender Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit : Eduard
Spranger, Herman Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen (Weinheim und Basel, Beltz 2009, 22010) 171–
204, 303–305, 317f.; zu Spranger zuletzt aufschlussreich Heinrich HueBschmann, „Wissen Sie noch einen
Ausweg ?“ Gespräche mit Eduard Spranger, Carl Friedrich von Weizsäcker, Gustav von Bergmann, Wilhelm
Westphal, Wilhelm Bitter, Viktor von Weizsäcker, Theodor Litt und Werner Leibbrand (1942), in : Sinn und
Form 64,2 (2012) 213–253, hier 219–224, besonders 224.
148 Berlin 1923, Stuttgart 71967.
149 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 37, vgl. 51 ; aus dieser Schrift hat Helbok dann auch öfters verbatim zitiert.
Über die „Volkskunde“ hat sich Spranger freilich selbst später (1930) abschätzig geäußert, siehe zuletzt Hein-
rich Beck, Die philologische Perspektive im RGA, in : Altertumskunde – Altertumswissenschaft – Kulturwis-
senschaft : Erträge und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, hg. v.
Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen
Altertumskunde 77, Berlin/Boston 2012) 23–104, hier 100–102.
150 München 1922, 21923 u. ö.; zuletzt noch : Viöl 2002.
151 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 50f.
152 Breuer, Streit (wie Anm. 131) 1.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625