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Adolf Helbok (1883–1968) 229
onärer259 „Völkischer“260 als ein typischer (Proto-)Nazi261 verhalten (und sollte dies im
Übrigen auch weiterhin tun)262, aber als bekennender Irrationalist263, Idealist264 und
„Stürmer und Dränger“ konnte oder wollte er sich – wie zu dieser Zeit viele andere
eigentlich nicht nazistische völkische Schwarmgeister auch265 – der damals nicht nur in
259 Als konservativ-reaktionäre Züge man man etwa sein Eintreten für den Heimatschutz und speziell für den
Bauernstand (vgl. S. 127, 205, 220 und 306) sowie seine Sympathie für das „Ancien Régime“ in Deutschland
(vgl. Anm. 95), Ständestaat und Zensuswahlrecht (vgl. S. 305 mit Anm. 712) bewerten.
260 Vgl. zur Definition Breuer, Grundpositionen der deutschen Rechten (wie Anm. 119) 80–89, 148–155.
261 Zur Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen Nationalsozialismus und völkischer Bewegung vgl. ebd.
156f.
262 Sein Antisemitismus war stets in etwa ebenso gemäßigt wie der des eindeutigen Nicht-Nazi Friedrich Meine-
cke (vgl. unten S. 237 mit Anm. 302), der „Zivildiener“ im Ersten Weltkrieg wollte offenkundig einen wei-
teren großen modernen Krieg vermeiden, vgl. etwa HelBok, Deutsche Geschichte auf rassischer Grundlage
(wie Anm. 36) 13 (wo er freilich etwas laviert). Helbok war später als Eugeniker (s.u. S. 236, 242f. und 303)
auch grundsätzlich kein Freund des (modernen) Krieges, siehe etwa Ders., Volk als biologische Ganzheit,
in : Volk im Werden 5,4 (April 1937) 196–207, hier 206, wo „der Verbrauch an erbwertigen Menschen in
den vielen Kriegen“ offenbar ebenso negativ beurteilt wird wie „die Quasi-Sterilisation begabter Familien-
mitglieder durch den Zölibat der römischen Kirche“ ; vgl. Wilhelm Schallmayers „auf rassenhygienischer
Grundlage formulierte Ablehnung von (modernen) Kriegen“ : Clemens Jesenitschnig, Rassenhygienischer
Pazifismus ? Wilhelm Schallmayers Entwurf einer „europäischen Union“ zur Friedenswahrung, in : AKG 95
(2013) 375–411. Auch Helboks egalitaristisch-sozialistische Ader war ausgesprochen unterentwickelt : Er
war offenbar ein Anhänger des „Ancien Régime“ in Deutschland (vgl. oben Anm. 95) und vermochte sich
nicht einmal so recht für die deutschen Bauernkriege zu erwärmen, vgl. Ders., Deutsche Geschichte auf
rassischer Grundlage (wie Anm. 36) 68, er identifizierte sich viel eher mit „oben“ als mit „unten“. Vgl. schon
Vonderach, Helboks Volksgeschichte (Bibl.) 23 : „Vom Nationalsozialismus unterscheidet sich Helboks
Weltanschauung dadurch, daß die Juden in ihr nur am Rande vorkommen und die aggressive außenpoliti-
sche Komponente fehlt.“
263 Dem es sicherlich auch selbst (so wie laut ihm den meisten anderen Deutschen) ein Bedürfnis war, „aus ei-
genem Willen unter die Führung ehrbarer, bewährter Leute zu treten und ihnen dann vertrauensvoll alles zu
überlassen“, so HelBok, Deutsche Volksgeschichte 1 (wie Anm. 32) 459. Ein ganz eindeutiges Bekenntnis
zum Irrationalismus hat er in seiner Schrift „Vorarlberger Heimatforschung. Ihre Aufrichtung und ihr Sinn“
von 1935 (wie Anm. 70) 3 abgegeben : „Wir müssen tief in unser Inneres schauen und dürfen uns beden-
kenlos dem Gefühlsmäßigen hingeben, um den rechten Weg zu finden. Denn wir leben in einer Zeit, in der
nicht die Vernunft, dieser unpersönliche und kalte Wertmesser des Liberalismus, sondern vom Verstande
geführte instinktmäßige Gefühle herrschend sind und sein müssen.“
264 Vgl. etwa Ders., Deutsche Geschichte auf rassischer Grundlage (wie Anm. 36) 12 ; Ders., Erinnerungen
(Bibl.) 197f. Zum deutschen Idealismus wichtig John Laughland, Schelling versus Hegel. From German
Idealism to Christian Metaphysics (Hampshire/Burlington 2007) passim.
265 So etwa die Stefan-George-Jünger Berthold und Claus Schenk Graf von Stauffenberg, vgl. etwa Thomas
Karlauf, „kommt wort vor tat kommt tat vor wort ?“ Überlegungen zu Stauffenbergs geistiger Disposition,
in : Es lebe das ‚Geheime Deutschland‘ ! Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Person – Motivation – Rezep-
tion, Beiträge des Sigmaringer Stauffenberg-Symposiums vom 11. Juli 2009, hg. v. Jakobus Kaffanke OSB,
Thomas Krause, Edwin Ernst WeBer (Anpassung – Selbstbehauptung – Widerstand 30, Münster 2011)
93–106, hier besonders 94 : Der Gedanke des Führertums, der selbstverantwortlichen und sachverständigen Füh-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625