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Adolf Helbok (1883–1968) 235
in „Rassenfragen“ einen gewissen Karl Felix Wolff konsultiert zu haben292. Gleichwohl
hat sich Helbok noch 1932 in der Festschrift für den Prälaten und Zentrumspolitiker
Georg Schreiber wie folgt geäußert : „Wir stehen einstweilen vor vielen Rätseln[,] und
viele wenden sich von Deutungsversuchen der Rassenkunde mit Recht zweifelnd ab, weil
sie selbst noch nicht einig ist. […] Die Auffassungen über den inneren Wert der Rassen
stehen heute innerhalb der Rassenkunde scharf gegeneinander“293. Damit unterschied
Lenz, Paul Schultze-Naumburg und Hans F. K. Günther ipsissimus gewesen. Der damals verantwortliche
Herausgeber dieser Zeitschrift, Paul Nikolaus Cossmann, wurde im Sommer 1942 als „Volljude“ nach The-
resienstadt verschleppt und dort wenig später zu Tode gebracht, vgl. Hans-Christof Kraus, Kulturkonserva-
tismus und Dolchstoßlegende. Die „Süddeutschen Monatshefte“ 1904–1936, in : Konservative Zeitschriften
zwischen Kaiserreich und Diktatur. Fünf Fallstudien, hg. v. Hans-Christof Kraus (Studien und Texte zur
Erforschung des Konservatismus 4, Berlin 2003) 13–43, hier 19.
292 Vgl. HelBok, Zur Frage der germanischen Wirtschaftskultur (wie Anm. 225) 278 Anm. 2. Wolff war nicht
nur ein profilierter Sagen-, sondern auch ein (durchaus unkonventioneller) Rassenforscher und Eugeniker,
vgl. die Anm. 291, die Bibliographie D[er] Sch[lern], Schriftwerke von Karl Felix Wolff, in : Der Schlern 23,7
(Juli 1949) 276 und besonders Anhang II („Notizen zum Leben von K. F. Wolff“, „Veröffentlichungen von
Karl Felix Wolff – Gesamtverzeichnis“) in : Ulrike Kindl, Kritische Lektüre der Dolomitensagen von Karl
Felix Wolff I : Einzelsagen (San Martin de Tor 1983) 176–241. 1927 erschien von ihm (wozu auch Ludwig
Schemann, Die Rassenfragen im Schrifttum der Neuzeit [Die Rasse in den Geisteswissenschaften. Studien
zur Geschichte des Rassengedankens 3, München 1931] 242f.: „Hauptgegner oder doch -kritiker Günthers“)
die Monographie K. F. Wolff, Rassenlehre. Neue Gedanken zur Anthropologie, Politik, Wirtschaft, Volks-
pflege und Ethik (Mannus-Bibliothek 39, Leipzig 1927) ; hier heißt es 239f. u. a.: „Das Zurücktreten der
Dolichoiden bedeutet […] keinen Verlust […]. Daß die arische Geistigkeit bei keinem andern großen Volke
so bestimmend wirkt wie bei den Deutschen, erkennt man besonders klar an ihrer politischen Un-
fähigkeit. […] Umgekehrt verlange ich zielbewußten Schutz der Unterschichte, weil sie nach
meiner Überzeugung alle zur Entfaltung unserer Kultur notwendigen Erbstämme enthält und weil ich in
ihr das unersetzliche Rhizom […] erblicke, aus dem die Oberschichte durch einen natürlichen Auslese-
vorgang immer wieder ergänzt wird. Meine Rassenhygiene ist durchaus demokratisch.“ Ähnlich non-
konformistische Ansichten in Bezug auf Themen wie Dolichokephalie, „Rassereinheit“, „Entnordung“ und
„Volkspflege“ (negative Eugenik) etwa auch in K[arl] F[elix] Wolff, Der Rassengedanke in Wissenschaft
und Weltanschauung, in : Natur und Kultur 30,9 (September 1933) 324–332. Zu seinen Aktivitäten wäh-
rend der NS-Zeit vgl. Michael Wedekind, „Völkische Grenzlandwissenschaft“ in Tirol (1918–1945). Vom
wissenschaftlichen „Abwehrkampf“ zur Flankierung der NS-Expansionspolitik, in : Geschichte und Region/
Storia e regione 5 (1996) 227–265, hier 241f., 256 ; zur späteren Würdigung Wolffs durch Helbok in „Der
Schlern“ siehe unten Anm. 600.
293 HelBok, Durch Volksgeschichte zur Neuform (wie Anm. 228) 355f. Allerdings hat Helbok dem Prälaten
und Zentrumspolitiker in diesem Beitrag sonst bisweilen wohl gegen eigene Überzeugung zu Munde geredet ;
vgl. 347 : „Und vor allem die Kirche war am Werke beteiligt. Ihre sittlichen Ideen gaben der Rodungsbewe-
gung vor allem des 11. und 12. Jahrhunderts den tiefsten inneren Rückhalt. Die Kirche hat aber auch das
wirtschaftliche Neuland mit den Segnungen der Kultur erfüllt und war obendrein vielfach der erfolgreichste
Roder, der überdies agrare Musterbetriebe in alles Land pflanzte, wie ja auch die religiöse Idee der Askese der
Anfang der wirtschaftlichen Sparsamkeit und Rationierung war.“ 351 : „[…] in dem zu Demokratie beson-
ders veranlagten Alemannenvolke […].“
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625