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Adolf Helbok (1883–1968) 237
er offenkundig allein aus lokalpatriotischer Motivation heraus der „dinarischen Rasse“ in
immer zunehmendem Maße Ebenbürtigkeit und Gleichrangigkeit mit der „Nordrasse“
zuzuerkennen versuchte (was auf nicht österreichische Nazis nur befremdlich, ja lächer-
lich wirken konnte), spricht dafür, dass seine Verehrung der „Nordrasse“ selbst in analoger
Weise nur ein Ausfluss seiner überbordenden Germanen- und Deutschtumsbegeisterung
gewesen ist. In Anlehnung an Löschs Urteil über Fischer könnte man also Helbok be-
treffend überspitzt formulieren, dass dieser eigentlich gar kein Rassist, sondern nur ein
germanisch-deutscher Generalchauvinist sowie ein österreichischer und Vorarlberger Lo-
kalchauvinist gewesen ist, der prinzipiell in Völkern und nicht in Rassen gedacht hat.
Letztere Einschätzung trifft laut dem belgischen Historiker Jean Stengers im Übrigen auch
noch auf den 1889 geborenen Hitler zu – erst auf den 1900 geborenen Himmler habe die
Lektüre Günthers als ein früh und also entscheidend prägendes Elementarereignis wirken
können301. Gemäß einer solchen Auffassung war der Rassismus bei Helbok also nur auf-
gepropft, und da Helbok augenscheinlich keine antisemitische Obsession, sondern nur
der gemäßigte Antisemitismus etwa eines Friedrich Meinecke302 eigentümlich war (siehe
unten), wäre ergo bei Helbok eine rassistische Aufladung seines gemäßigten antijüdischen
Ressentiments auch kaum a priori zu erwarten gewesen.
Allerdings sind gewisse Formulierungen Helboks in seinem 1935 publizierten Aufsatz
„Der Problemkreis von Volkskunde und Volksgeschichte“303 als rassenantisemitisch inter-
pretiert worden304. Eine formal weitgehend und inhaltlich völlig identische Aussage findet
renden Gegenüberstellung der Thesen seiner beiden Freunde Fischer und Wolff (vgl. oben Anm. 292) dedu-
zieren können ; dass speziell der „Rassen-Günther“ ein übler Scharlatan war, hätte er sehr leicht dem Aufsatz
Walter Goetz, Die Rassenforschung, in : AKG 22 (1932) 1–20, hier besonders 17–20 entnehmen können.
301 Stengers, Hitler et la pensée raciale (wie Anm. 131) 435–441.
302 Vgl. Pesditschek, Barbar (wie Anm. 28) 646. Auch der Hitler-Attentäter Stauffenberg scheint ein solcher –
wenn nicht sogar schärferer – Antisemit gewesen zu sein, vgl. etwa Wolfram Wette, „Wir müssen etwas tun,
um das Reich zu retten.“ Stauffenbergs Motive zum Widerstand, in : Es lebe das ‚Geheime Deutschland‘ ! (wie
Anm. 265) 73–91, hier 76f.
303 Adolf HelBok, Der Problemkreis von Volkskunde und Volksgeschichte, in : Zs. für Volkskunde 43 = NF 5
(1933 [1935]) 1–15, hier 3.
304 Nämlich „Das Soziale und das Asoziale des Individuums kann demnach auch am Blute liegen, und damit
kommen wir zum Ergebnisse, daß mit der Möglichkeit asozialer Blutstämme gerechnet werden muß. Dies
darf nicht so aufgefaßt werden, als ob es asoziales Blut an sich gäbe, sondern solches, das einem anderen
gegenüber so wirken kann. Wir haben damit rein erkenntnistheoretisch den Zusammenhang zwischen Rasse
und Volkstum hergestellt. Denn wir erkennen, daß nicht jede Rasse zu jedem Volkstum paßt. Es ist nicht
im Interesse des sicheren Bestandes eines Volkes, wenn es in Gemeinschaften zerfällt, die blutsmäßig asozial
sind. So sind nur jene Rassen für ein Volk tragbar, die spannungsgesund wirken, womit kein Urteil über
ihre Wertigkeit an sich ausgesprochen ist“, wiederholt ebd. 4 : „Alles asozial wirkende Blut muß aus der
Blutgemeinschaft eines Volkes ferngehalten werden, weil sie als Quelle einer möglichst reinen und starken
Gemeinschaftsidee quellklar zu erhalten ist. Nur verwandte, also mindestens soziale Blutquellen, dürfen zu-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625