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Adolf Helbok (1883–1968) 239
rend er die Ehre der Ausbildung der sozialistischen Komponente gerne den Deutschen
im „Reich“ überließ)312, doch konnte er selbst mit dieser angeblich österreichischen Er-
findung offenbar nicht viel mehr anfangen als mit jener der Schiffsschraube : In seinem
magnum opus „Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs“313 kom-
men „die“ Juden laut Index nur ein einziges Mal vor314, und wenn er in seiner „Deutschen
Volksgeschichte“315 das Christentum als seinem Wesen nach ungermanisch und unin-
dogermanisch darstellt316, so verweist er zwar kurz auf „das Sündengefühl, das durch die
jüdische Philosophie gestützt wurde“, nützt aber die so günstige Gelegenheit keineswegs,
um einen fundamentalen, das heißt „blutmäßigen“, Gegensatz zwischen „Ariern“ und
„Semiten“ zu behaupten. Richtig ist, dass es bei Helbok ab 1933 nun tatsächlich bisweilen
zu einer Verwendung der Wörter „Juden“, „jüdisch“ kommt und diese dann bis 1945 kon-
und zuletzt auch Peter Longerich, Hitler. Biographie (München 2015) 30f., 34–40, 64–72, 1029–1041 ;
Wolfram Pyta, Hitler. Der Künstler als Politiker und Feldherr. Eine Herrschaftsanalyse (München 2015)
99–129, 140–149, 685–698.
312 Vgl. etwa Adolf HelBok, Emil Lehmann unter Mitarbeit von Friedrich Ranzi, Heimgekehrte Grenzlande
im Südosten. Ostmark / Sudetengau / Reichsprotektorat Böhmen und Mähren (Leipzig 1939) 72 : In der
Habsburgermonarchie Kampf „gegen den Hochadel und die Dynastie und die mit ihr verbündete Juden-
schaft und den politischen Katholizismus. Denn sie alle standen immer wieder im Bund mit den Ostvölkern
und wandten sich gegen das Deutschgefühl. So brandeten Antisemitismus und ‚Los-von-Rom‘-Bewegung in
Österreich auf. Jeder von uns wurde in seiner Jugendzeit schon von ihnen ergriffen, und Georg von Schö-
nerer […] wurde unser Führer“. 278 über Wien : „Der Antisemitismus wurde hier geboren“ ; vgl. ähnliche
weitere Zitate unten in Anm. 321.
313 HelBok, Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs 1–2 (wie Anm. 127).
314 Ebd. 11 : „Der Mensch einer bestimmten Rasse tritt dem Weltall mit einer auch besonders gearteten Frage-
stellung gegenüber. Die Fragestellungen der Germanen sind andere gewesen als jene der Etrusker, jene der
Deutschen germanischen Genotyps sind andere als jene von Deutschen gemischt germanischen Typs oder gar
der Slawen, Romanen oder Juden.“ In Ders., Zur Frage „Was ist Volk ?“. Wesen und Aufgaben der deutschen
Volkstumsgeschichte, in : Zs. für Deutsche Bildung 12,9 (1936) 417–424, hier 423 bleiben Juden bei ei-
nem Lamento über eine „Infektion unseres Volksleibes“ durch „Fremde“ sogar völlig unerwähnt : „Was heute
rundum aus Polen, Tschechen, Südslaven, Italienern und Franzosen an Stoßkraft gegen uns im völkischen
Tageskampfe auftritt, geschieht durch Menschen, die an jenem nordischen Blute hochgekommen sind, das
Germanen und Deutsche in ihren Volkskörper getragen. Wir sind eben in gewissen Zeiten von diesen Nach-
barn unterwandert worden (polnische Landarbeiter, tschechische Schuster und Schneider, italienische Bau-
und Straßenarbeiter) und werden es noch. Hier geht eine Infektion unseres Volksleibes in Grenzwanderung
vor sich, die im Wege der äußeren Eindeutschung einen partiellen Wesenswandel des Volkes zur Folge haben
muß. […] wo wir Fremde in unser Blutbeet aufnehmen, verringern wir die relative Kraft der nordischen
Rassenkomponente. Die deutsche Rassengeschichte gerade eben in der Verankerung
mit Siedlungs- und Volkskörpergeschichte wird die Grundlagen einer sich stets
vertiefenden völkischen Rassenpolitik schaffen.“
315 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 1 (wie Anm. 32).
316 Ebd. 158–160.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625