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246 Martina Pesditschek
gedessen habe ein „Blutwandel in Österreich“ schon „unter dem Einfluß der Donaumo-
narchie begonnen“, der nicht „wegzuleugnen“ sei, „man sei auch noch so sehr von der
Romantik deutscher Größe der alten Monarchie erfüllt“350 – eine offenkundige Spitze
gegen Srbik und dessen damalige „gesamtdeutsche“ Deutungen von Metternich und Kai-
ser Franz Joseph. Bemerkenswerterweise hält Helbok auch noch in dieser Broschüre die
Begriffe „Volk“ und „Rasse“ nicht immer genau auseinander : So hat sich „ostwärts […]
das germanische Brudervolk der Illyrier351 ausgebreitet, im Alpenraum tritt es in der dina-
rischen Rasse hervor“352, und „für das Verhältnis von Rasse und Kultur ist bezeichnend,
daß dem Nord-Süd-Gefälle der Nordrasse ein umgekehrtes der größten Sprachbewegun-
gen entspricht und daß diese aus Bayern und dem Alpenraum, also Gebieten stärkster
Volksmischung, hervorgingen“353. Hierher gehört vielleicht auch, dass am Beginn des
Werkes „jedes Volk die Fleischwerdung einer anderen Idee Gottes ist“354 und an dessen
Ende „jede Rasse die Fleischwerdung einer anderen Idee Gottes ist“355. Mit diesem Zitat
soll ja offenkundig dem von Helbok seit jeher abgelehnten Prinzip der Völkermischung356
ein Riegel vorgeschoben und ein „autonome[s] Dasein jedes Volkes“357 propagiert wer-
350 Ebd. 67.
351 Gemeint ist offenbar : das illyrische Brudervolk der Germanen, die laut Helbok ja im Wesentlichen der
„Nord rasse“ angehören.
352 Ebd. 13.
353 Ebd. 43.
354 Ebd. 2. Es handelt sich dabei im Prinzip um ein (nicht ganz exaktes) Zitat einer Sentenz des Orientalisten
und „völkischen“ Propheten Paul de Lagarde (vgl. zu diesem etwa Ulrich Sieg, Deutschlands Prophet. Paul
de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus [München 2007]), die sicherlich populär war –
vgl. etwa Irmgard Heidler, Der Verleger Eugen Diederichs und seine Welt (1896–1930) (Mainzer Studien
zur Buchwissenschaft 8, Wiesbaden 1998) 382, weiters die Tatsache, dass 1930 ein Friedrich Goetze die Völ-
ker in der konservativ-revolutionären Zeitschrift „Die Kommenden“ als „Erscheinungen des ‚göttlichen Wil-
lens‘“ bezeichnete, „weshalb man es ablehnen müsse, ‚irgend eines dieser göttlichen, eigengesetzlichen Volks-
tümer einem allnordischen Gedanken, einem höheren Lebensrecht der nordischen Rasse […] zu opfern‘“,
siehe Breuer, Streit (wie Anm. 131) 15 ; Stefan Breuer, Ina Schmidt, Die Kommenden. Eine Zeitschrift
der Bündischen Jugend (1926–1933) (Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung 15, Schwalbach/Ts.
2010) 260f., oder die entsprechende Predigt eines Jugendseelsorgers namens Jung gegen die Annahme des
Europäischen Saarstatuts noch im Jahr 1955, vgl. den Abschnitt „‚Völker sind Ideen Gottes‘ (Der Fall Jung)“
in : Hermann Görgen, Ein Leben gegen Hitler. Geschichte und Rettung der „Gruppe Görgen“. Autobio-
graphische Skizzen (Münster 1997) 213–216 –, deren Urheber Helbok aber wohl schon damals nicht mehr
bekannt gewesen sein dürfte. Er hat dieses Bild dann auch noch später immer wieder gebraucht, so etwa auf
dem Folklore-Kongress in Paris 1937 (siehe S. 264 mit Anm. 463) und dann schließlich auch noch auf einer
internationalen Tagung in Linz im Jahre 1958 (vgl. S. 294f. mit Anm. 643).
355 HelBok, Was ist deutsche Volksgeschichte ? (wie Anm. 295) 69.
356 In Sonderheit des „Romanisierens“, „Slawisierens“ und auch „Germanisierens“ (heute „Integrationspolitik“).
357 Ebd. 3, d. h. die Existenz von Parallelgesellschaften und das Prinzip getrennter Entwicklung = Apartheid. Vgl.
sein mehr oder weniger offenes Eintreten für die Apartheid in Südafrika im Jahr 1963 (siehe unten S. 299 mit
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625