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250 Martina Pesditschek
von Lamprecht gegründeten und mittlerweile von Hans Freyer geleiteten „Institut für
Kultur- und Universalgeschichte“ der Leipziger Universität zu werden, vom Leiter der
Hochschulabteilung im Sächsischen Volksbildungsministerium Werner Studentkowski374
vorerst wohlwollend aufgegriffen375. Lediglich Helboks Appetit auf zusätzliche Räum-
lichkeiten wurde in der Fakultät „angesichts der bestehenden Raumnot als maßlos“ emp-
funden376. In diesem Frühjahr hielt er auch noch weiterhin wöchentlich Vorlesungen in
Berlin377, wo er dann übrigens noch am 1. Oktober zum Mitglied der am Staatlichen
Museum für Deutsche Volkskunde in Berlin angegliederten Deutschen Volkskundekom-
mission für einen Zeitraum von drei Jahren ernannt werden sollte378. Helbok verabsäumte
auch nicht, vor Amtsantritt und dem damit verbundenen Erwerb der deutschen Staats-
bürgerschaft um die Aufrechterhaltung seiner österreichischen anzusuchen, was jedoch mit
10. Juli 1935 abschlägig beschieden wurde379.
Von diesem negativen Bescheid abgesehen, nahm das Jahr 1935 für Helbok also zu-
nächst einen weitestgehend wunschgemäßen Verlauf. Es wurden nun nicht nur die beiden
schon erwähnten eher schmalen Monographien „Was ist deutsche Volksgeschichte ?“380
und „Vorarlberger Heimatforschung“381 ausgeliefert, im selben Jahr begann auch in meh-
reren Lieferungen zu erscheinen, was bis kurz vor seinem Tod sein opus maximum bleiben
sollte : „Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs“382, ein nicht
ganz einheitliches Werk, dessen erste fünf Kapitel laut am 25. Juli 1937 abgeschlossenem
374 Nach 1945 führte Studentkowski den Namen Walter Strohschneider ; Grüttner, Biographisches Lexikon
(wie Anm. 41) 171f.; Carsten Heinze, Die Pädagogik an der Universität Leipzig in der Zeit des Nationalso-
zialismus 1933–1945 (Bad Heilbrunn 2001) besonders 36–57.
375 Ludwig, Volkstumshistoriker (Bibl.) 476f.; Middell, Weltgeschichtsschreibung (Bibl.) 695. Da Freyer in
der Folge seinerseits Mitdirektor an dem von Helbok geleiteten Institut sein wollte, Helbok indes die Ein-
sicht kam, dass ich F., der politisch vielfach bezweifelt wird, nicht mit meinem Institut für deutsche Landes- und
Volksgeschichte, das ich vollständig und sauber politisch ausbauen muss, verbinden kann, wurde das zunächst am
16.01.1936 vereinbarte Mitdirektorat nach mancherlei Querelen am 22.04.1937 wieder aufgehoben, vgl.
Ludwig, l.c.; Middell, Weltgeschichtsschreibung (Bibl.) 696f.: „Mit einem Sonderfonds von 400 Mark
für Neuanschaffungen von Literatur, die Helbok für sich reklamierte, kaufte sich das Dresdner Ministerium
aus dem gescheiterten Versuch frei. Als Freyer für viele Jahre außerhalb Leipzigs weilte und die Rolle eines
Mitdirektors hätte Bedeutung gewinnen können, verfügte Helbok schon über keine Möglichkeiten mehr,
sich das Nachbarinstitut anzueignen.“
376 Ebd. 696.
377 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 132f.
378 UA Leipzig, PA 561, fol. 28.
379 AdR, PA AH, fol. 66–69 ; UAI, PA AH, 19.07.1935 und 18.01.1936 ; vgl. auch Johler, „Tradition und
Gemeinschaft“ (Bibl.) 589.
380 HelBok, Was ist deutsche Volksgeschichte ? (wie Anm. 295).
381 Ders., Vorarlberger Heimatforschung (wie Anm. 70).
382 Ders., Grundlagen der Volksgeschichte Deutschlands und Frankreichs 1–2 (wie Anm. 127).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625