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Adolf Helbok (1883–1968) 267
wurden481. Hier wurde nun nicht nur Helboks „Siedelungsgeschichte und Volkskunde“
aus dem Jahr 1928 abgefertigt482, es wurde ihm insbesondere noch sein Mitwirken an
der Festschrift für den nunmehr „berüchtigt“ genannten Prälaten Schreiber vorgehalten,
indem er unter „maßgebende Wissenschaftler der Systemzeit“ subsumiert wurde483.
Es ist offenkundig, dass sich Helbok mit seinen vielen und umfänglichen Eingaben an
Ministerien, die der eigenen Rechtfertigung dienen sollten, keinen Gefallen erwies. Auch
in seinem Fall galt : qui s’excuse s’accuse. Und so erhielt er eben im Juni 1938 gleich einen
neuen Rüffel, und zwar sogar eine persönliche briefliche Aufforderung von Studentkowski,
der meinte, dass es nicht angebracht sei, sich vom weltanschaulichen Gegner, nämlich vom
Salzburger Benediktinermönch Virgil Redlich (einem Sohn Oswald Redlichs)484, loben zu
kriegsösterreich großdeutsch bedeutete. Es ist wohl auch nicht Zufall, dass die Mitarbeiter der ‚Heimat‘
heute im nationalsozialistischen Vorarlberg an führenden Stellen stehen, Dr. Nägele als Hauptschriftleiter der
einzigen NS.-Zeitung des Landes, Dr. Baldauf als Landesschulinspektor […]“ ; ebd. 127f.
481 Schmoll, Vermessung (Bibl.) 148.
482 Das Fazit lautet : „Die Arbeit ist heute nur noch als Zeugnis für die geistige Haltung einer Gruppe von Volks-
forschern zu werten, auf die der letzte Satz der Helbokschen Schrift zutrifft : ‚Ein zukünftiges Geschlecht
wird uns den bitteren Vorwurf machen, die letzten und größten Sünder an unserem Volkstum gewesen zu
sein‘“ : Deutsche Volkskunde im Schrifttum (wie Anm. 224) 115, X,9. Doch auch die – wenngleich vor-
sichtige – Heranziehung von Naumanns Zweischichtentheorie durch Helbok wird offenkundig als Minus
gewertet, heißt es über diese ebd. 15, I,26 doch vernichtend : „Das grundsätzliche Verkennen völkischer
Notwendigkeiten und das Übersehen aller biologischen Lebensgesetzlichkeiten bildet das kennzeichnendste
Merkmal dieser Betrachtungsweise“, die von „marxistischen“ wie „vor allem konfessionellen Kreisen“ gern
„für ihre Parteiarbeit“ herangezogen worden sei. Deshalb wandte sich Helbok im Januar 1938 und im August
desselben Jahres auch an seinen Leidensgefährten Naumann, der aber jeweils bloß zum „Abwarten“ riet und
von der wissenschaftlichen Freiheit der Volkskundler im faschistischen Italien schwärmte, vgl. Meixner, „…
eine wahrhaft nationale Wissenschaft der Deutschen…“ (Bibl.) 129, 132f. Anm. 21–23.
483 Deutsche Volkskunde im Schrifttum (wie Anm. 224) 17, I,32. Zwei weitere Veröffentlichungen Helboks wur-
den hier allenfalls lauwarm aufgenommen, vgl. ebd. 13, I,16 bzw. 115f., X,10 : „[…] versucht aber, sich neueren
Gesichtspunkten mehr anzupassen“ – was als Vorwurf des Konjunkturrittertums verstanden werden kann.
484 Art. „Redlich, Virgil“, in : Österreich-Lexikon 3 (wie Anm. 35) 23 ; Art. „Redlich, Virgil“, in : Österreicher
der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen, bearb. v. Robert Teichl (Wien 1951)
245f.; P. Benno Roth, Univ.-Prof, Dr. phil. P. Virgil Redlich OSB. (1890–1970). Leben und Werk (Seckauer
Geschichtliche Studien herausgegeben von der Abtei Seckau, H. 24, Seckau 1970) ; der Benediktinerpater,
der zunächst das Gymnasium der Benediktiner in Melk besucht hatte, dem aber „die damals sehr liberale Ein-
stellung der Melker Benediktiner zuwider“ gewesen war (ebd. 10), fungierte 1935–1938 als Schriftleiter der
vom „Forschungsinstitut für deutsche Geistesgeschichte in Salzburg“ herausgegebenen, also im „Ständestaat“
erschienenen „Zs. für deutsche Geistesgeschichte“. Als der auf den Namen Herbert getaufte Redlich junior
„in Innsbruck einen Vortrag über katholische Literaturbewegung vor dem CV hielt, hatte Univ.-Prof. Dr. Wil-
helm Erben, ein Freund von Oswald Redlich, nichts Eiligeres zu tun, als dem Vater Herberts ein Telegramm
zu schicken mit dem Inhalt : Sein Sohn Herbert sei dem CV beigetreten und betreibe „klerikale Umtriebe“.
Typisch für den damals sehr liberal und antirömisch eingestellten Professor Wilhelm Erben !“ (ebd. 33).
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625