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274 Martina Pesditschek
der Sachverhalt : Am 7. Januar 1943 erging aus gegebener Veranlassung vom „Hauptamt
Weltanschauliche Information“ ein Schreiben an das „Hauptamt Wissenschaft“, nament-
lich an Wolfgang Erxleben528, mit der Bitte um Beurteilung von Professor Helbok529. Eine
Beschreibung des Hintergrundes bzw. der Ursache fehlt jedoch, und wenig später wurde
in dem erwähnten Schriftstück nachträglich handschriftlich über gegebener Veranlassung
noch in Kurrentschrift welche ? hinzugefügt. Jedenfalls wurden daraufhin verschiedene
Gutachten eingeholt, die recht unterschiedlich ausfielen. Ein Dr. Meyer530 fasste diese wie
folgt zusammen : Die uns bekannten Veröffentlichungen erstrecken sich über den Zeitraum
von 1925–1939. Werke neueren Datums liessen sich nicht feststellen. Über die meisten selbstän-
digen Werke Helboks liegen Gutachten für das Hauptamt Schrifttumspflege vor […] ; sie sind
zu einem guten Drittel negativ, zu einem zweiten Drittel nur bedingt positiv gehalten. Wenn
man von den beanstandeten Einzelheiten absieht und den für die damalige Zeit durchaus
nicht selbstverständlichen Ausgangspunkt Helboks und seine dementsprechend andere Blick-
richtung berücksichtigt, muss man zur Feststellung kommen, dass ein Teil der vorliegenden
Gutachten Helboks Leistung nicht ganz gerecht wird. Zunächst muss hervorgehoben werden,
dass das wissenschaftliche Werk des nunmehr 60-jährigen eine Entwicklung durchgemacht hat,
die nicht allein bedingt ist durch die fortschreitende Erkenntnis Helboks selbst, sondern die
vor allem auch gebunden ist an die wissenschaftlichen Ergebnisse, die besonders auf diesen
Forschungsgebieten in den letzten Jahrzehnten sich herausgebildet haben. Von hieraus gesehen
muss Helboks Werk im grossen Ganzen [sic] als positiv beurteilt werden. Aus der Durcharbeit
seiner Bücher gewinnt man das Bild eines Mannes, der von ganz anderen Voraussetzungen
als wir heute ausgehend, zu nationalsozialistischen Anschauungen und Auffassungen gelangt
ist. Das muss umso schwerer wiegen, als es gerade auf den Gebieten geschieht, die durch und
für den Nationalsozialismus besondere Bedeutung erlangt haben : Rassen- und Volkstumsge-
schichte531. Weiters werden Helboks Bemühungen anerkannt, sich von Naumanns Lehre
von den 2 Kulturschichten und den Umwelteinflüssen zu emanzipieren. Denn weiter heißt
es : Schon in den ersten Werken Helboks finden sich genügend Ansätze zu einer Betrachtungs-
weise, die die Bindung an Rasse und Volkstum beobachtet und als mindestens ebenso wesentlich
vermerkt. Rassisches ist hier noch nicht der Ausgangspunkt, sondern steht neben den anderen
Einflüssen, und damit wird Helboks verschiedene Haltung zu unserer Weltanschauung erwie-
sen. Erst allmählich – und das kann an Beispielen aus seinen Werken belegt werden – erhält
die rassische Seite in seinem Werk das Übergewicht, bis Helbok dann schliesslich ganz in die
528 Siehe zu diesem Pesditschek, Barbar (wie Anm. 28) 305 mit Literatur in Anm. 1639, 325, 344–349, 351.
529 BAB, NS 15, 210, fol. 6.
530 Da es sich bei diesem nicht einmal um einen Historiker gehandelt haben muss, scheint der Versuch einer
Identifizierung aussichtslos.
531 BAB, NS 15, 210, fol. 8f.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625