Page - 294 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
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294 Martina Pesditschek
Helbok war in den 1950er Jahren aber keineswegs nur für (bzw. gegen) den Volkskun-
deatlas aktiv. 1955 nahm Helbok – freilich nicht als Referent – wieder an einer Tagung teil,
nämlich an der Arbeitstagung des „Städtischen Instituts für Landschaftskunde des Boden-
seegebiets“ vom 19. bis 22. April auf der Insel Reichenau639. Das Institut war Vorläufer des
„Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte“, und bei seinen Veranstaltungen
kamen „häufig Historiker und Angehörige benachbarter Wissenschaften, die während des
Dritten Reiches einflußreiche Positionen innegehabt hatten“, zusammen640. Das Tagungs-
thema kreiste um „Stämme im frühen Mittelalter“, und neben Franz Petri641 und Franz
Steinbach642 waren Helboks österreichische Kollegen Theodor Mayer und Otto Brunner
anwesend. Über „die Thüringer“ sprach freilich kein Geringerer als Walter Schlesinger.
Auf einer Linzer „Konferenz für volkskundliche Kartographie“ (11. bis 13. Dezember
1958) hielt Helbok nicht nur ein schon erwähntes Referat über den Volkskundeatlas,
sondern auch die Eröffnungsansprache, die er mit uns nicht ganz unvertrauten Worten
beschloss : „Wenn wir die Vereinigung Europas wollen, dann müssen wir das Gemeinsame
suchen[,] und hier ist die Aufzeigung jenes Kulturgutes, das aus dem unbewußtem [sic]
Geiste der Völker erwuchs, das große Geschenk, das die Volkskunde zu bieten vermag.
Die Völker sind untereinander verwandt. Sie sind verwandt, aber als Persönlichkeiten.
Damit fallen alle imperialistischen Ideologien, denn da zeigt sich der wahre Wert jenes
Satzes, den ein großer Deutscher einmal aussprach, daß die Völker fleischgewordene
Gedanken Gottes sind. Als Gedanken Gottes sind sie gleichwertig, das kleinste wie das
größte, das ärmste wie das reichste Volk, es muß nur seinem Gottgedanken treu bleiben.
In diesem Sinne wollen wir unsere Arbeit in eigener Selbstachtung und in Wertschätzung
des Nachbarn aufnehmen.“643
639 Fehr, Germanen und Romanen (wie Anm. 9) 592 ; Ders., Hans Zeiss, Joachim Werner und die archäo-
logischen Forschungen zur Merowingerzeit, in : Eine hervorragend nationale Wissenschaft (wie Anm. 132)
401 ; Traute Endemann, Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises (Veröff. des Konstanzer Arbeitskreises für
mittelalterliche Geschichte aus Anlass seines fünzigjährigen Bestehens 1951-2001 1, Stuttgart 2001) 204 mit
Namen der Referenten.
640 Fehr, Hans Zeiss (wie Anm. 639) 400.
641 Vgl. Pinwinkler, Historische Bevölkerungsforschungen (Bibl.) besonders 451f.; Ulrich Tiedau, Franz
Petri, in : Handbuch der völkischen Wissenschaften I (wie Anm. 18) 578–587 ; weiters die Literatur bei
Andreas Rutz, Historische Forschung am Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande
1920–2005 unter besonderer Berücksichtigung der Dissertationen, in : Rheinische Landesgeschichte (wie
Anm. 57) 39–66, hier 40f. Anm. 6, 42 Anm. 13 und auch Hans Derks, Deutsche Westforschung. Ideologie
und Praxis im 20. Jahrhundert (Leipzig 2001) 85–128.
642 Vgl. Pinwinkler, Historische Bevölkerungsforschungen (Bibl.) besonders 459 ; Ulrich Tiedau, Franz
Steinbach, in : Handbuch der völkischen Wissenschaften I (wie Anm. 18) 805–810 sowie die Literatur bei
Kaudelka, Rezeption (Bibl.) 114 ; Rutz, Historische Forschung am Bonner Institut (wie Anm. 641) 41f.
Anm. 12.
643 Adolf HelBok, [Eröffnungsansprache], in : Konferenz für volkskundliche Kartographie (wie Anm. 620) 14–
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625