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330 Gudrun Wlach
scher Wissenschaft“ und die triste Situation der „geistigen Arbeiter“ wurde nach 1918
zu einem verbreiteten Schlagwort94 und führte 1920 zur Gründung der „Notgemein-
schaft deutscher Wissenschaft“ (seit 1929 „Deutsche Forschungsgemeinschaft“)95. Diese
„Notgemeinschaft“ trug auch zur Finanzierung österreichischer Forschungen bei, wie
zum Beispiel der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos. Auf die unmittelbare Nach-
kriegszeit ging Praschniker auch in der Einleitung zu einem 1928 publizierten, Josef Keil
gewidmeten Aufsatz über zwei Köpfe aus den Parthenonmetopen (in seiner nach heutigen
Begriffen manchmal pathetischen Ausdrucksweise) ein96 : „Als wir nach Kriegsende an
unsere Schreibtische zurückkehrten, aus dem Bereich weltgeschichtlichen Geschehens in
die stillen Räume des Wiener archaeologischen Institutes, da war es uns oft nicht leicht,
in einer Zeit, da Reiche zusammenstürzten, über den peinigenden und niederschlagenden
Gedanken der Nichtigkeit unseres Strebens hinwegzukommen ; während die nackte Not
an unsere Türen pochte, die Sammlung zu stiller Gelehrtenarbeit zu finden.“
1922 erhielt Praschniker in Wien den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofes-
sors. Auch hier war es wieder Reisch, der seine wissenschaftlichen Leistungen würdigte97.
Der Kommissionsbericht für die Verleihung des Titels eines Extraordinarius vom Juli
1922 enthält auch Hinweise auf die Nennung Praschnikers im Vorschlag für die Lehr-
kanzeln in Erlangen, Prag und Rostock. Im Herbst 1921 war er im Vorschlag für eine
Lehrkanzelbesetzung in Rostock, die er jedoch ablehnte98, da ihm mittlerweile vom tsche-
choslowakischen Ministerium die Berufung an die deutsche Universität Prag in mündlicher
Verhandlung zugesichert worden war.
94 Jürgen John, „Not deutscher Wissenschaft“ ? Hochschulwandel, Universitätsidee und akademischer Krisen-
diskurs in der Weimarer Republik, in : Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20.
Jahrhundert, hg. v. Michael Grüttner, Konrad H. Jarausch, Jürgen John, Matthias Middell (Göttingen
2010) 107–140, hier 107.
95 Zur Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft : Notker Hammerstein, Die Deutsche Forschungsgemein-
schaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur 1920–
1945 (München 1999) ; Jochen Kirchhoff, Wissenschaftsförderung und forschungspolitische Prioritäten
der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft 1920–1932 (München 2007).
96 Camillo Praschniker, Zwei weibliche Köpfe aus den Parthenonmetopen, Mitteilungen des Vereines klassi-
scher Philologen 5 (1928) 107–114, hier 107.
97 ÖStA, AVA, PA Praschniker, 15335/22, fol. 6–9 (Abschrift) : Kommissionsbericht 07.07.1922. Siehe auch
UAW, PA Praschniker 2933 : Kommissionsbericht betr. Verleihung des Titel eines Extraordinarius an Praschni-
ker. Unterzeichnet : Reisch als Referent, Löwy, Wilhelm, Strzygowski, Hauler, Hatschek, Schlosser (entschul-
digt), fol. 35–38.
98 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 37.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625