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366 Gudrun Wlach
Man sagte mir jedoch, dass Du vor Deiner Osterreise nicht mehr ins Dekanat kämest. Nach
Deiner Rückkehr werde ich jedoch gerade in Bulgarien sein. Prof. Marchet ist durch den
Gaudozentenführer über den einzuschlagenden Weg informiert worden. Ein Antrag [müßte ?]
zunächst von Dir ausgehen und ich wäre bis zur Erledigung desselben im Dienste zu belassen.
Ich habe nun an Prof. Marchet alles Material, das er zur Information für nötig hielt, überge-
ben und er wird alles Dir übermitteln und zwar :
1) eine Darstellung meiner Angelegenheit. Ich hatte sie zunächst in Form eines Gesuches an
den Führer abgefasst und habe sie auch unverändert gelassen. Zur Information dürfte sie auch
in dieser Form genügen.
2) eine unter anderem Gesichtspunkt seinerzeit für die Akademie geschriebene Darstellung
meines Lebenslaufes, mehr in Hinsicht auf meine wissenschaftliche Entwicklung gegeben305.
3) für alle Fälle auch ein Schriftenverzeichnis.
Ich hoffe, dass in 1–3 alles sich findet, was Du für den Antrag brauchst.
Ich kann Dir nicht sagen, wie dankbar ich Dir bin, dass Du Dich meiner in meiner Not-
lage so freundschaftlich angenommen hast. Allein die Beweise der Freundschaft, die ich in den
letzten Tagen erhalten habe, haben mich wieder etwas aufgerichtet und lassen mich doch etwas
hoffnungsfreudig in die Zukunft blicken.
Die von Praschniker verfasste Darstellung seiner „Angelegenheit“ in Form eines unter-
würfigen Gesuches an den „Führer“, die also nicht wirklich als persönlicher Brief an
Hitler selbst306, sondern als Information und Argumentationshilfe für die zuständigen
Stellen der Universität, für Dekan und Dozentenführer, gedacht war, sei hier in Auszügen
wiedergegeben307 : Mein Führer, […]. Mich hat das Unglück getroffen, dass ich […] vor kur-
zem zur schmerzlichen Erkenntnis kommen musste, dass meine Grossmutter mütterlicherseits
[…] jüdischer Abstammung war. Der Gedanke, meinen Posten auf Grund einer Täuschung
innezubehalten, war mir unerträglich und so brachte ich diese Tatsache dem Dekan meiner
Fakultät pflichtgemäß zur Kenntnis. […] Ich weiß, dass ich die gesetzlichen Konsequenzen zu
tragen habe […]. Nichtsdestoweniger wage ich doch, Sie inständigst zu bitten, mich in meiner
Stellung zu belassen. […] Mein Grossvater kann als Vorkämpfer für das Grenzlanddeutschtum
bezeichnet werden. […] Ich wurde von meinen Eltern als deutscher Junge erzogen, lernte schon
in der Jugend am Gymnasium in Cilli (Untersteiermark) den Kampf ums nationale Dasein
305 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 119–127 (Lebenslauf 1941).
306 Wie bei Roman Pfefferle, Hans Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Univer-
sität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Schriften des Archivs der Universität Wien 18 (Göttingen
2014) 119, Anm. 381 dargestellt. Auch die Aussage, dass die Großmutter Anna Henriette Breitenfeld Jüdin
war (ebd.) ist insoferne zu differenzieren, als die Großmutter nach den Nürnberger Rassengesetzen als Jüdin
eingestuft wurde.
307 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 117–118. Im Anhang die vollständige Transkription des Schreibens.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625