Page - 372 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
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372 Gudrun Wlach
Als Direktor des ÖAI, dessen früherer Status als an die Universität angeschlossenes
Forschungsinstitut wieder hergestellt worden war, hatte Praschniker 1945 die Aufgabe,
die NSDAP-Mitglieder oder Anwärter unter den Angestellten von ihrer Enthebung zu
benachrichtigen. Davon betroffen waren Edgar Kübber333, Hermann Vetters334 und Egon
Braun335 sowie Gertrud Pascher, die auf eigenen Wunsch enthoben wurde336. Im Oktober
1945 informierte Praschniker Vetters und Braun über ihre Entlassung337 ; er verständigte
sie aber mit der Bemerkung, dass es sich um eine vorläufige Maßnahme handle, die end-
gültige Klärung erfolge durch ein Rechtfertigungsverfahren.
Praschniker selbst wurde zunächst durch Entscheid der Sonderkommission beim Staats-
amt für Volksaufklärung, Unterricht und Erziehung vom 14. September 1945 auf seiner
Stelle belassen338. Von August 1946 bis September 1947 war er vorübergehend vom Dienst
333 Der deutsche Staatsangehörige Kübber war ursprünglich an der Zweigstelle Rom des AIDR tätig, wurde im
Juni 1944 nach Wien versetzt und war im letzten Kriegsjahr vor allem mit der Bergung des Institutseigen-
tums aus den verschiedenen Zweigstellen beschäftigt. Am 07.07.1945 wurde er von den Sowjets verhaftet
und war einige Monate inhaftiert (siehe AÖAI, Akten 1945, Tgb. 97/45_70 : Praschniker an Polizeipräsident
Pamer 24.11.1945 mit dem Ersuchen um eine Unterredung mit Kübber).
334 Vetters (1915–1993) war Mitarbeiter der „Führergrabung“ Carnuntum und wurde mit 01.09.1939 an der
Zweigstelle Wien des Archäologischen Instituts angestellt. 1940 wurde er zum Militärdienst eingezogen,
bei Kriegsende 1945 geriet er in russische Gefangenschaft, aus der er im September 1945 zurückkehrte. Im
Oktober 1945 wurde er enthoben, im Februar 1946 aber wieder am ÖAI angestellt, da er von einer Son-
derkommission der Universität positiv beurteilt worden war. 1965 habilitierte er sich für Altertumskunde
und Alte Geschichte. 1969 wurde er auf einem neugeschaffenen Lehrstuhl für Klassische Archäologie und
Feldarchäologie zum Ordinarius ernannt und zum ehrenamtlichen Direktor des ÖAI bestellt. Er bekleidete
außerdem wichtige Funktionen an der ÖAW und war Leiter großer Grabungsunternehmungen. Siehe : Her-
mann Vetters, Autobiographie, in : Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen Gesellschafts-
und Geistesgeschichte unserer Zeit, hg. v. Hermann Baltl, Nikolaus Grass, Hans Constantin Faussner
(Studien zur Rechts-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte 14, Sigmaringen 1990) 291–298 ; Manfred Bietak,
Hermann Vetters, in : Almanach der ÖAW 143 (1992/92) 393–408 ; Wlach, Akteure (wie Anm. 3) 117–
119 ; Wlach, Klassische Archäologie (wie Anm. 183) 370.
335 Braun (1906–1993) war seit 1930 am ÖAI angestellt, er war vor allem in der Verwaltung und Redaktion
tätig. Siehe Wlach, Akteure (wie Anm. 3) 128f.
336 Pascher (1911–2002), später verh. Laminger, war wie Helga Jereb als Ersatz für die zur Wehrmacht einge-
rückten männlichen Kollegen seit 01.03.1941 an der Zweigstelle Wien angestellt. AÖAI, Akten 1945, Tgb.
20/45_70 : Otto Walter als – vorläufiger – Leiter des ÖAI übermittelte am 03.09.1945 der Verwaltungsstelle
der Wiener Hochschulen auf Paschers Wunsch ihr Ansuchen um Enthebung.
337 AÖAI, Akten 1945, Tgb. 66/45_70 : Praschniker an Vetters 17.10.1945 ; AÖAI, Akten 1945, Tgb.
73/45_70 : Praschniker an Braun, 29.10.1945 : Das Dekanat der Philosophischen Fakultät habe den Erlass
des Staatsamts für Volksaufklärung (Zl. 470 aus 1944/45) vom 02.08.1945 mitgeteilt, durch den die gene-
relle Enthebung aller Mitglieder des Lehrkörpers, die der NSDAP als Mitglieder oder Anwärter angehört
haben, verfügt werde.
338 UAW, PA Praschniker 2933, fol. 162 : Bestätigung des Dekanats vom 3.4.1946.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625