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Camillo Praschniker (1884–1949) 375
als Kollege, als Lehrer und als Vortragender, sowohl in Vorlesungen als auch in populä-
ren Vorträgen, wird hervorgehoben. Gleichzeitig – vielleicht auch resultierend aus dem
Harmoniebedürfnis und der Scheu vor Konflikten – entsteht der Eindruck eines Bestre-
bens, „das Richtige“ zu tun, im Sinne der pflichtbewussten Anpassung an die Obrigkeit,
manchmal auch der Eindruck einer gewissen politischen Naivität. Praschniker hat die
politischen Umstände nicht zur eigenen Profilierung genutzt. Sein Verhalten während der
NS-Zeit, soweit es heute aus den Quellen rekonstruiert werden kann, war von Vorsicht,
Ängstlichkeit und Opportunismus bestimmt – Eigenschaften, die durch den zusätzlichen
Druck der NS-Zeit wohl noch stärker hervortraten. Besonders deutlich wird ein starker
Opportunismus in der Gegenüberstellung seiner fast gleichlautenden, nur unter anderen
Vorzeichen vorgebrachten Argumentation zwischen seiner Selbstdarstellung 1942, als Ge-
fahr bestand, wegen seiner jüdischen Vorfahren aus seinen Ämtern entlassen zu werden,
und der Darstellung 1945, als Gefahr bestand, dass er wegen seiner Anwartschaft zur
NSDAP entlassen würde. Mit der entsprechenden Anpassung hat er aber auch die NS-
Zeit in beruflicher Hinsicht unbeschadet überstanden und konnte nach 1945 – nach einer
kurzen Zeit der Unsicherheit – seine Karriere bis zu seinem frühen Tod 1949 fortsetzen.
Aufgrund spärlicher Quellen lassen sich auch Praschnikers Kontakte aus verschiedenen
Schaffensperioden und beruflichen Stationen nur zum Teil nachvollziehen. Gut einge-
bunden war er auf jeden Fall – wie seine Laufbahn von den 1920er bis in die 1940er Jahre
zeigt – an der Wiener Universität. Mit Arbeiten zum Parthenon begann Praschniker seine
wissenschaftliche Karriere, der Parthenon blieb auch sein wissenschaftliches Hauptgebiet.
Im Bereich der provinzialrömischen Kunst ist wahrscheinlich die Bearbeitung der Skulp-
turen aus dem Bäderbezirk von Virunum mit dem Nachweis einer in Virunum tätigen
Bildhauerschule sein wichtigstes Werk. Wenig Verständnis dürfte er für zeitgenössische
Kunst – vielleicht auch nur für modische Kunstströmungen sowie für außereuropäische
Kunst und Kultur – gehabt haben, wie viele seiner kleineren Schriften aus den 1920er
und 1930er Jahren zeigen. Insgesamt ist er als ein konservativer, national gesinnter Wis-
senschaftler zu charakterisieren.
9. anhang
(UAW, PA Praschniker 2933, fol. 117–118.)
Mein Führer,
wenn ich es wage, Ihnen hiemit eine Bitte vorzutragen, deren Erfüllung für mich alles bedeu-
tet, so geschieht dies, weil ich das Bewusstsein in mir trage, durch meine ganze Lebenshaltung
das Recht erworben zu haben, Sie bitten zu dürfen. Mich hat das Unglück getroffen, dass ich,
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625