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Balduin Saria (1893–1974) 385
dies rief bei den Pettauern Optimismus hervor, verlieh aber gleichzeitig der Stadt ein aus-
gesprochen deutsches Gepräge und steigerte die Spannung zwischen der deutschen und
der slowenischen Gemeinschaft. Als Antwort auf die zunehmende Dominanz des deut-
schen Elementes in Pettau wählte in Jahr 1908 die Ciril-Metodova družba / Gesellschaft
der Hl. Kyrill und Method – die nationale slowenische Organisation, die finanziell und
moralisch die Gründung und den Bau von Schulen mit slowenischer Unterrichtsspra-
che in zweisprachigen Gebieten unterstützte – Pettau als Austragungsort der jährlichen
Mitgliederversammlung und versuchte auf diese Weise die Präsenz des slowenischen Ele-
mentes in der Stadt zu bekunden. Die Versammlung in Pettau, die von den Deutschen
als Provokation verstanden wurde, rief sowohl in der Stadt als auch in Cilli umfangreiche
antislowenische Demonstrationen hervor, die teilweise in Gewalt endeten. Die Reaktion
unter den Slowenen, vor allem in Krain, war äußerst heftig. Es kam zu ausgedehnten, in
Laibach sogar in gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei mündenden Protesten,
die auch Todesopfer forderten. Die Ereignisse vom September 1908 vertieften das gegen-
seitige Misstrauen zwischen den beiden ethnischen Gemeinschaften sowohl in Krain als
auch in der Untersteiermark22.
Das wissenschaftliche Entdecken des älteren Bildes von Pettau einerseits und die durch
den nationalen Konflikt geprägten innenpolitischen Verhältnisse andererseits übten si-
cherlich einen starken Einfluss auf das Interesse und den politischen Werdegang des jun-
gen Balduin Saria aus. Im Jahr 1912 immatrikulierte er sich an der Universität Wien und
inskribierte Geschichte und Archäologie am Archäologisch-Epigraphischen Seminar, dem
Vorgänger des heutigen Instituts für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik. „Kein Zwei-
fel, daß Deine Vaterstadt Pettau, das alte Poetovio, die Lust für die Altertumswissenschaft,
Deinen künftigen Lebensberuf, in Dir geweckt hat“23. Am Archäologisch-Epigraphischen
Seminar lehrten damals hochangesehene Professoren. Saria hörte Vorlesungen unter anderem
bei Eugen Bormann, Wilhelm Kubitschek, Emil Reisch, Emanuel Löwy und nach dem Krieg
auch Rudolf Egger24. Nach zwei Jahren wurde sein Studium durch den Ausbruch des
Ersten Weltkrieges unterbrochen. Saria wurde zum Militär einberufen, erlebte dort die
Kriegsgefangenschaft und das Ende der Gefechte im Amt eines Artillerieoberleutnants.
22 Peter Klasinc, Septemberski dogodki 1908 (s posebnim poudarkom na dokumentih iz Štajerskega deželnega
arhiva v Gradcu) [Die Septemberereignisse 1908 (mit besonderer Rücksicht auf Dokumente
aus dem StLA in Graz)], in : Ptujski zbornik 5 (1985) 281–291.
23 Rudolf Egger, Widmung, in : Festgabe für Balduin Saria, in : Südost-Forschungen 22 (1963) 1.
24 Betz, Widmung (wie Anm. 1) 220–221.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625