Page - 402 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 402 -
Text of the Page - 402 -
402 Janez Mlinar
Reich“118 dar. In Hitlers Deutschland sah er die politische Macht, die im gegebenen Au-
genblick, abgesehen von den dabei verwendeten politischen und militärischen Mitteln,
als einzige in der Lage war, seine Ansichten über die Lösung der deutschen Frage in die
Tat umzusetzen. Aber seine Begeisterung für Deutschland bedeutet nicht unbedingt auch
Begeisterung für die nationalsozialistische Ideologie. Von dieser distanzierte er sich zwar
nie ausdrücklich, am Kriegsende trat er sogar der NSDAP bei, aber im Jahr 1954 konnte
er anscheinend ohne schlechtes Gewissen und ohne Verstellung darauf aufmerksam ma-
chen, dass zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft „die Vorgeschichtsforschung
oft eine mehr als einseitige Behandlung erfuhr, die stark von der nationalsozialistischen
Rassenlehre beeinflußt war“119.
Sarias prinzipielle Haltung und ihre Determinanten waren seinen Zeitgenossen be-
kannt. Die slowenische Öffentlichkeit, insbesondere in Pettau, hatte gegenüber Saria
zwar eine ablehnende Haltung vor allem wegen seines Engagements bei der Leitung des
Pettauer Stadtmuseums zu Beginn des Krieges, die Fachöffentlichkeit bewertete ihn und
seine wissenschaftliche Tätigkeit jedoch pragmatischer. „Seine Werke benutzen wir jeden
Tag, deswegen kann man an seiner Rolle in der slowenischen Archäologie nicht vorü-
bergehen, obwohl auch sein Leben seine Schattenseite hatte,“ schrieb anlässlich seines
Todes Iva Mikl Curk vom Pokrajinski muzej na Ptuju (Regionalmuseum Ptuj) und zeigte
weitgehendes Verständnis für Sarias Handeln während der Kriegszeit : „Er zählte sich zu
den Deutschen und so konnte oder wollte er sich nicht kurz vor dem Krieg und während
des Krieges völlig gegen die deutsche Politik erklären. Aber er schrieb nie tendenziöse Bei-
träge, mit denen man das Bild der ältesten slowenischen Geschichte verzerren wollte. Der
Wunsch, der historischen Wahrheit das Wort zu erteilen, setzte sich in seiner Arbeit wie-
derum durch. Das bewies er mit seinem Verhalten in der Nachkriegszeit“120. In ähnlicher
Weise schrieb auch Jaroslav Šašel über ihn in der Zeitschrift Arheološki vestnik121. Wäh-
rend der gesamten Nachkriegszeit pflegte er persönliche Kontakte mit seinem ehemaligen
Kollegen an der Laibacher Universität, Milko Kos, mit dem er sowohl in slowenischer
118 Ders., Land an der Völkerstraße. Die Untersteiermark im Spiegel germanischer Geschichte, in : Marburger
Zeitung, 15./16.04.1944, 2.
119 Ders., Altertumswissenschaft im politischen Raum, in : Ostdeutsche Wissenschaft 1 (1954) 223.
120 Iva Mikl Curk, Balduin Saria in slovenska arheologija [Balduin Saria und slowenische Archäologie], in :
Časopis za zgodovino in narodopisje 44 (1974) 217f.: “Njegova dela vsak dan uporabljamo, zato mimo njeg-
ove vloge v slovenski arheologiji ne moremo, pa čeprav je tudi njegovo življenje imelo svojo senčno plat. […]
Štel se je za Nemca in se tako tik pred vojno in med njo ni mogel ali ni hotel povsem opredeliti zoper nemško
politiko. Nikoli pa ni pisal tendenčnih prispevkov, s katerimi so želeli popačiti podobo najstarejše slovenske
zgodovine. Želja, dati do besede pravi zgodovinski resnici je v njegovem delu spet zmagala. To je dokazal s
svojim vedenjem v povojnem času.“
121 Jaroslav Šašel, Balduin Saria (1893–1974), in : Arheološki vestnik 25 (1974) 534–536.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625