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Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941) 413
Person ihres Mentors zu sehen, der in dieser Zeit nicht nur eine privilegierte Stellung
innerhalb der philosophischen Fakultät der Universität Wien einnahm, sondern der zu-
gleich sehr positiv gegenüber Frauen im universitären Bereich eingestellt war.46 Dennoch
ist den Protokollen der Fakultätssitzungen, die sich mit dem Habilitationsverfahren Pat-
zelt beschäftigten bzw. den zusammenfassenden Berichten darüber ein gewisser Vorbehalt
gegenüber Frauen im Wissenschaftsbetrieb zu entnehmen. Zum einen schien es Dopsch
notwendig, überdeutlich herauszustreichen, dass sie, aus intellektuellem Hause stam-
mend, es an Stringenz und methodischem Denken nicht fehlen lasse47. Zum anderen
musste der Vorwurf ausgeräumt werden, dass es sich bei ihren Arbeiten nicht um selbstän-
diges Eigentum der Verfasserin handele, wie zunächst Redlich und folgend auch Ottenthal
vor allem in Bezug auf die im Vorwort Patzelts zu ihrer Abhandlung „Die karolingische
Renaissance“ gegenüber ihrem Lehrer Dopsch geäußerten Dankesworte zu bedenken ga-
ben. Hierin äußerte sie sich wie folgt : „Aus den Gedanken und Anregungen meines ver-
ehrten Lehrers, Hofrats Professor Alfons Dopsch, ist denn auch der vorliegende Versuch
erwachsen, das Problem der ‚Karolingischen Renaissance‘ und innerhalb dieses Rahmens
die geistigen Bedingungen der vorkarolingischen Zeit darzustellen“48. Ottenthal hatte
protokollhaft vermerkt, dass bei Renaissance Anregung so stark, daß jeder sagen würde, ist
Dopsch. Möchte fragen an Dopsch, inwieweit ist Habilitationsanteil selbständig. Wichtig für
Entscheidung49. Auch wenn die Kommission dieser Argumentation letztlich nicht folgte,
war das Ergebnis der Beratungen, dass wesentlich die „Weistümer“ die Grundlage für die
Habilitation bilden sollten. Nicht zuletzt deshalb setzte Redlich durch, dass die ursprüng-
46 Anders gelagert waren bspw. die Verhältnisse in Graz. Die Tochter des ehemaligen Grazer Professors für Öster-
reichische Geschichte Karl Uhlirz, Mathilde Uhlirz, konnte gar erst 1932, nach drei Anläufen über einen Zeit-
raum von mehr als 20 Jahren, dem damaligen Sprachgebrauch gemäß „Privatdozent“ werden, siehe Kunde,
Mathilde Uhlirz (wie Anm. 14) 470–474.
47 Siehe dessen Bericht wie Anm. 4.
48 Patzelt, Renaissance (wie Anm. 35) Vorwort. – Auch die Dankesworte im Vorwort der „Weistümer“ erfuh-
ren eine, allerdings weniger grundsätzliche Hinterfragung : „Die vorliegende Arbeit geht letzten Endes auf An-
regungen meines verehrten Lehrers […] zurück, der ihr auch im weiteren Verlauf wertvolle Förderung zuteil
werden ließ. Seine eigenen Arbeiten, insbesondere die große Edition der landesfürstlichen Urbare Österreichs
und der Steiermark waren mir stets eine wirksame Hilfe und ein sicherer Führer …“, Patzelt, Weistümer
(wie Anm. 36) 2.
49 PA Patzelt (wie Anm. 4) fol. 197v. – Die Bedenken wies Dopsch in der Diskussion umgehend mit folgenden
Worten zurück : Zuviel Ehre, sowohl von Verfasserin als beiden Kollegen, um im zusammenfassenden Kommis-
sionsbericht abschließend zu formulieren : Die Gesuchstellerin hat sich zuerst der Karolingerzeit zugewendet und
Studien zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte derselben betrieben. […] Im Ganzen bezeugen diese Ausführungen,
daß die Verfasserin nicht nur die wissenschaftliche historische Methodik beherrscht, sondern auch in der Lage ist, aus
den verschiedenartigen Quellengruppen […] selbständig wissenschaftliche Ergebnisse zu gewinnen, ebd. fol. 183r–
184r.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625