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444 Reinhard Blänkner
schon im großelterlichen Haus begründet und nun aus eigenem Erleben vertieft wurde.
Einflussreich war hierbei auch sein Iglauer Geschichtslehrer Anton Altrichter, einer der
Protagonisten und Aktivisten der mährisch-deutschen Volkstumspolitik18. Beider Lebens-
linien sollten sich zwanzig Jahre später in den Institutionen der Volkstumsbewegung er-
neut berühren. Brunners Jahre in Mähren währten nur kurz. Sie hinterließen jedoch in
den aufnahmebereiten Jugendjahren nachhaltige Eindrücke, die sich nicht zuletzt in der
breiten Lektüre der mährischen und böhmischen Literatur (Ferdinand von Saar, Marie
von Ebner-Eschenbach, Gustav Freytag, Adalbert Stifter) niederschlug und deren Spuren
Brunners gesamtes Werk durchziehen.
Nach Abschluss der militärischen Ausbildung wurde Brunner im Februar 1917 zum
Kriegseinsatz in die Steiner Alpen und den Karst an der Isonzofront der italienischen
Grenze abkommandiert. In seinen Kriegstagebüchern gibt Brunner neben den Schilde-
rungen und Erlebnissen der Kämpfe Auskünfte über den Alltag an der Front, über die
Monotonie des Etappenlebens – das er zur ausgiebigen Lektüre weitläufiger Literatur,
von Nietzsches „Zarathustra“, Homer und Shakespeare bis hin zu Hermann Löns oder
Hermann Bahr und nebenher zum Erlernen der italienischen Sprache nutzte –, aber auch
über die eindrücklichen Panoramen auf die Alpen und die Adria19.
Die Kindheit im ländlichen Langenlois, Jugend im mährischen Iglau und Brünn und
schließlich die Eindrücke an der Kriegsfront markieren wichtige Mentalitätsschichten,
die Brunners späteres Leben keineswegs vorgezeichnet, aber doch geprägt haben. Hinzu
kommt der Zusammenbruch der k.u.k Monarchie, dessen Folgen er in Wien erlebte, wo
er, nach seiner Abrüstung im Dienstgrad eines Leutnants im November 1918 in St. Pöl-
ten, im Wintersemester 1918/19 das Studium aufnahm.
Konzept der „Sprachinsel“ siehe Heinke M. Kalinke, Sprachinselforschung, in : Online-Lexikon zur Kul-
tur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2015. URL : ome-lexikon.uni-oldenburg.de/p32772
(Stand 02.07.2015) ; Ingo Haar, ‚Sudetendeutsche‘ Sprachinselforschung zwischen Volksgruppen-Bildung
und Münchener Abkommen : Eduard Winter, Eugen Lemberg und die Nationalisierung und Radikalisie-
rung des deutsch-katholischen Wissenschaftsmilieus in Prag (1918–1938), in : Hundert Jahre sudetendeut-
sche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg. v. Hans Henning Hahn (Frankfurt/M 2007)
207–242.
18 Der Hinweis auf Altrichter bei Brunner, Erinnerungen (wie Anm. 14). Zu den volkstumspolitischen Aktivi-
täten Altrichters siehe Knápková, Kulturgeschichte Iglaus (wie Anm. 17), passim.
19 Otto Brunner, Kriegstagebücher vom 03.02.–25.07. 1917 und 11.02.–17.9.1918. Original im Besitz von
Prof. Dr. Hedwig Brunner. Ich danke Frau Brunner für transkribierte Kopien der Tagebücher. Über den Krieg
am Isonzo siehe jetzt Lutz Musner, Die verletzte Trommel. Der Krieg im slowenisch-triestinischen Karst
1915–1917 (Wien 2014).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625