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Otto Brunner (1898–1982) 449
zukunftsreichen Gelehrten, durch die dieser unserer Universität dauernd erhalten werden und
Gelegenheit erhalten soll, seine reichen Fähigkeiten und Anlagen zu voller Entfaltung zu bringen43.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1931 wurde Brunner zum planmäßigen Außerordent-
lichen Professor für Mittelalterliche und Österreichische Geschichte ernannt. Zugleich
wurde er in den Lehrkörper des IÖG aufgenommen, eine Entscheidung, die Alphons
Lhotsky in seiner Geschichte des Instituts als das – auch mit Blick auf Brunners längerfris-
tige Bedeutung für das Institut – „wichtigste Ereignis“ dieses Jahres bezeichnete44. Brun-
ner oblag fortan die Betreuung vor allem der mittelalterlichen Geschichte, die er sich mit
Hirsch teilte, sowie die bis 1942 gemeinsam mit Wilhelm Bauer und 1944 gemeinsam mit
Leo Santifaller ausgeübte Redaktion der MIÖG. Nach langjährigem Karrierestau wurde
Brunner zum 1. Juni 1941 als ordentlicher Professor der mittelalterlichen und neueren
Geschichte ernannt.
3. der politische historiker
Brunner war ein politischer Historiker. Was dies jenseits aller Kontroversen über sein
wissenschaftliches Werk unbestrittene Charakterisierung bedeutet, bedarf jedoch der prä-
zisierenden Ausleuchtung in dreierlei Hinsichten : der Frage nach dem politischen En-
gagement Brunners, den möglichen politisch motivierten Fragestellungen, die seinem
Werk zugrunde liegen, sowie der Frage nach seinem Verständnis von Politik, soweit es
sich hierin niederschlägt. Auf den Zusammenhang zwischen politischen Fragestellungen
und wissenschaftlichem Werk wird später zurückzukommen sein. Zunächst soll der Frage
nach Brunners politischer Orientierung und seines politischen Engagements nachgegan-
gen werden. Dabei ist mit Blick auf Brunners gesamte Biografie zunächst festzuhalten,
dass mehrere Phasen und Grade der Politisierung zu unterscheiden sind.
Auf seine großdeutsche mentale Prägung, in deren Hintergrund die deutschnationale
Bewegung Georg von Schönerers und seines Alldeutschen Verbandes stand, wurde bereits
hingewiesen. Fassbar ist zusätzlich, dass Brunner – ebenso wie Zatschek – 1920 Mitglied
im antisemitisch ausgerichteten „Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien“
war45. Von einem erkennbaren Politisierungsschub Brunners wird man jedoch erst um
43 UAW, Phil. DZ 595 – 1930/31. In einem Brief an Paul Fridolin Kehr vom 15.07.1931 äußerte sich Hirsch
selbst ähnlich : Brunner ist sicher der tüchtigste Institutler der Nachkriegszeit, zitiert nach Stoy, Institut (wie
Anm. 12) 62, Anm. 29.
44 Vgl. Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 24) 379.
45 Zur großdeutschen/deutschnationalen Bewegung siehe Rainer Hering, Konstruierte Nation. Der Alldeut-
sche Verband 1890–1939 (Hamburg 2003) ; Jiří Kořalka, Georg Ritter von Schönerer und die alldeutsche
Bewegung in den böhmischen Ländern, in : Hundert Jahre sudetendeutsche Geschichte (wie Anm. 15) 61–90.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625