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484 Alfred Werner Höck
entsprach ein Verständnis von Philologie, als dem Versuch durch eine Zusammenschau
von Sprachentwicklung, Literatur und Volkskunde eine „Wissenschaft vom Deutschen“
zu sein und als solche über die Wissenschaft hinaus als eine „Nationalpädagogik für die
gesamte Kulturnation verbindlich“17 zu werden. Der hohe Statusanspruch der Disziplin
nach innen und außen, in Verbindung mit der Vermittlung eines als zeitgemäß empfun-
denen „völkischen“ Sinn- und Wissenschaftsverständnisses, führte dazu, dass die Germa-
nistik an der Universität Wien seit den 1920er-Jahren zu einem Massenfach wurde und
Wolfram einer unter mehreren hundert StudentInnen des Faches war, als er 1921 sein
Studium begann18. Unter den dort lehrenden Professoren sollten in der Folge Michael
Haberlandt19 und Rudolf Much20 besonderen Einfluss auf Wolframs wissenschaftliches
Denken haben. Vor allem Much mit seiner „germanischen Altertumskunde“, als dessen
Schüler sich Wolfram Zeit seines Lebens verstand, wurde zu seinem Leitbild und wis-
senschaftlichen Förderer. Gegen Ende seines Studiums ermöglichte ihm schließlich die
„Bergmannhaus-Stiftung“ im Wintersemester 1924/25 einen Studienaufenthalt in Kiel,
woran sich auch mehrere Skandinavienreisen (zum Teil im Rahmen seiner Dissertation)
anschlossen.
4. ernst moritz arndt und die „nordsehnsucht“. die
völkische deutung der geschichte
Aufschlussreich für den Zusammenhang zwischen dem germanistischen, volkskundlichen
und geschichtstheoretischen Denken des jungen Wolfram ist die Wahl des Themas sei-
17 Meissl, Germanistik (wie Anm. 16) 478 u. 482.
18 Die Zahl der Studierenden stieg in den 1920er Jahren sowohl am Wiener germanistischen Institut wie auch
in jenem an der Universität Graz an. So waren im Jahr 1933 schließlich rund 1000 Studierende am Wiener
Institut inskribiert. Siehe Meissl, Germanistik (wie Anm. 16) 482.
19 Michael Haberlandt, Volkskundler und Indologe, habilitierte sich als erster für das neu geschaffene Fach Völ-
kerkunde an der Universität Wien, seit 1910 a.o. Prof., Mitbegründer des Vereines für Volkskunde und des
Österreichischen Museums für Volkskunde. Auf Grund des rassistischen Gehalts einiger seiner Werke und
seines umstrittenen Verhaltens gegenüber der NS-Bewegung wurde im Jahr 2011 der Status des ihm in der
NS-Zeit gewidmeten Ehrengrabes der Gemeinde Wien aberkannt. Vgl. Straßennamen Wiens seit 1860 als
„Politische Erinnerungsorte“, http://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/pdf/strassennamenbericht.pdf, Wien,
Juli 2013, 105-112, letzter Zugriff 04.01.2014.
20 Rudolf Much, Professur für Germanistische Sprachgeschichte und Altertumskunde. Lehrtätigkeit an der Uni-
versität Wien von 1894–1934. Vertreter der sogenannten „Germanischen Volks- und Altertumskunde“. Po-
litisch vertrat er stark deutsch-nationale Positionen. Siehe Irene Ranzmaier, Germanistik an der Universität
Wien zur Zeit des Nationalsozialismus. Karrieren, Konflikte und die Wissenschaft (Literaturgeschichte in Stu-
dien und Quellen 10, Wien/Köln/Weimar 2005), sowie Bockhorn, Angelegenheit (wie Anm. 5) 201–204.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625