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492 Alfred Werner Höck
bürgerlichen Ressentiment gegen alle, die er als „Linke“ definierte. Letztere bezeichnete er
als „Rote“ und stellte fest, diese seien eine Saubande, verzeih den unakademischen Aus-
druck, aber es ist halt so52. Die wenigen erhaltenen Spuren persönlicher politischer Äuße-
rungen zeigen, dass sich Wolfram Ende der 1920er Jahre weiter radikalisierte. Noch 1929
galt seine Sympathie der Heimwehr-Bewegung, wie aus dem oben zitierten Brief hervor-
geht, in dem er von den Heimwehr-Studenten als „unsere“ spricht. In demselben Brief
schreibt er weiter : Vorgestern am Republiktag gab es zwar den üblichen roten Umzug, aber
z.B. der Schutzbund war nicht ausgerückt ! Die Heimwehren sind schon gut, wenn es auch bei
weitem noch nicht so ist, wie ich es mir vorstellte. Es ist jetzt zunächst einmal auf bürgerlicher
Seite ein Gegengewicht zum Schutzbund da, das ist ja schon ungeheuer viel. Das Erobern und
herüberholen geht allerdings sehr schrittweise. […] In Wien kann man nun schon glatt in der
Heimwehruniform herumlaufen, was noch im Sommer unmöglich gewesen wäre. Heute gehe
ich in eine Versammlung53. Wolfram scheint öfters Heimwehr-Aufmärsche begleitet zu
haben. So schilderte er in einem anderen Brief, ebenfalls an Höfler : Gestern hatten wir
einen grossen Doppelaufmarsch der Heimwehr u.d. republikanischen Schmutzhundes, pardon
Schutzbundes. Ich sah mir zuerst die Roten an, begeisterungsloses Durchtreiben von 18.000
Mann, fast keine Zuschauer. Aber dafür bei der Heimwehr ! […] Ein Volksfest. […] Freilich
dann die Meidlinger Hauptstrasse u. Gemeindebauten ! Da war Schönbrunn los, solche Ge-
sichter. 70 Kommunisten wurden verhaftet bei Störversuchen. Meistens machte man kurzen
Prozess mit Stänkerern u. tauchte sie einfach in die Schneehaufen. Und das Wutgeheul der
Roten wurde mit lachenden Heil-Rufen beantwortet. Es war herzerfreuend54. Die Freude
wurde aber anscheinend durch das schlechte Abschneiden der Heimwehr-Bewegung bei
den Nationalratswahlen ernüchtert, wie er Höfler mitteilte : Was sagst Du zu den Wahlen ?
Es ist mehr als zum Ko---n. Der Schoberblock, die Nationalen und die Landbündler mit eini-
gen anderen sehen ja ganz nett aus, aber es wird nicht halten, die alten Parteihyänen, die ein
wenig zurückgedrängt waren, werden schon wieder an die Krippe wollen. Heimwehr 8 Man-
date ist mager55. Noch schienen ihm die Nationalsozialisten zu plebejisch, um eine Alter-
native zu sein. Nach ihren Erfolgen an der Universität bezeichnet er diese als recht rüd,
radaulustig und nehmen Hund und Sau auf. Ich bin nicht restlos begeistert56. Wolframs nun
folgende Abwendung von der Heimwehr machte ihn zum Teilnehmer jener langsamen,
aber kontinuierlichen politischen Bewegung, die in den frühen 1930er Jahren vor allem
Teile des sich als bürgerlich verstehenden Lagers in Richtung auf die radikale „Alterna-
52 Wolfram an Höfler, datiert 14.11.1929 (wie Anm. 51).
53 Wolfram an Höfler, datiert 14.11.1929 (wie Anm. 51).
54 SLIVK, NRW, Briefe 21672-N : Wolfram an Höfler, datiert 25.02.1929.
55 Ebd. Briefe 21666-N : Wolfram an Höfler, datiert 11.11.1930.
56 Ebd. Briefe 21653-N : Wolfram an Höfler, datiert 06.02.1931.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625