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510 Alfred Werner Höck
sem Plan wird bereits die Marschroute des „Ahnenerbe“ festgelegt, die in den folgenden
Wochen und Monaten zur Gründung der sogenannten „Kulturkommission“ führte137.
Damit ging Wolframs Involvierung weit über die nach dem Krieg erwähnte bloße Ab-
kommandierung als „einfacher Volkskundler“ hinaus, sondern zeigt ihn als Mitwirkenden
der ersten Stunde an den „volkspolitischen“ Umsiedlungsplänen. Mit der von Wolfram
Sievers geleiteten Kulturkommission des „Ahnenerbe“ kamen ab 1940 insgesamt 13 Ar-
beitsgruppen138 (mit 56 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen) zum Einsatz, die ihren Sitz
in Bozen aufschlugen. Von den Gruppenleitern stammten nur vier – darunter Wolfram,
der die Arbeitsgruppe „Brauchtum und Volkstanz“ leitete – aus dem „Ahnenerbe“. Im
Zuge seiner Recherchen unternahm er in der Folge zahlreiche Feldforschungen in ganz
Südtirol, arbeitete Fragebögen aus und führte zahlreiche Befragungen durch. Er war da-
mit Mitarbeiter des bisher ambitioniertesten fächerübergreifenden Wissenschaftsprojek-
tes des „Ahnenerbes“ mit eindeutig volkspolitischer Zielsetzung139.
Auf der ersten Arbeitstagung der Kulturkommission im Februar 1941 berichtete Wolf-
ram über die Tätigkeit der von ihm geleiteten Arbeitsgruppe „Brauchtum und Volkstanz“ :
Die Aufnahme von Volksbrauch, Volksglauben, Volkstanz und Volksschauspiel erfasst in allen
Teilen des Landes gleichmässig das Wesentliche, um ein übersichtliches und allseitiges Bild des
Vorhandenen zu geben. […] Wichtig ist auch hier wieder, das überall Linien zum germani-
schen Norden laufen140. Seine dabei angewandte Methodik beschreibt Wolfram in einem
weiteren Arbeitsbericht wie folgt : Mein Arbeitsziel ist zunächst eine möglichst gleichmäßige
Bestandsaufnahme, die in erster Linie das Wesentliche erfasst. […] Die Beschränkung auf
wenige Fachleute, die an Ort und Stelle arbeiten, hat dagegen den Vorteil, untereinander
vergleichbare Ergebnisse zu bringen. Die Aufzeichnungen sollen einerseits ein ungeschminktes
Bild des Vorhandenen ergeben, richten ihr besonderes Augenmerk aber auf die für uns wesentli-
chen Gesichtspunkte des völkischen Ahnenerbes. […] Methodisch ging ich zunächst so vor, dass
ich mir durch [zwei, Anm. des Verf.] Fragebogen einen Überblick zu verschaffen suchte. […]
137 Zur Arbeit der Kulturkommission in Südtirol siehe Michael Wedekind, Kulturkommission des SS-Ahnen-
erbe in Südtirol, in : Handbuch der völkischen Wissenschaften (wie Anm. 2) 356–367 und Michael We-
dekind, Franz Huter (1899–1997). „Verfügen sie über mich, wann immer sie im Kampfe um die Heimat
im Gedränge sind“, in : Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945 2, hg. v. Karel
Hruza (Wien/Köln/Weimar 2012) 591–614 ; sowie Kater (wie Anm. 94) 159–170. Zu den Hintergrün-
den, Rahmenbedingungen und den Ablauf der „Option“ in Südtirol siehe den Sammelband : Deutsche !
Hitler verkauft euch ! Das Erbe von Option und Weltkrieg in Südtirol, hg. v. Günther Pallaver, Leopold
Steurer (Bozen 22011).
138 Die Zahl bezieht sich auf den Bericht der ersten Arbeitstagung. Kater, Ahnenerbe (wie Anm. 94) erwähnt
14 Untergruppen. Siehe auch BAB, NS 21 : Bericht über die erste Arbeitstagung der Kulturkommission am
09. und 10.02.1941.
139 Siehe Kater, Ahnenerbe (wie Anm. 5) 161.
140 BAB, NS 21 : erste Arbeitstagung (wie Anm. 138).
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625