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Richard Wolfram (1901–1995) 515
13. Bemühungen um eine neuherausgaBe von „schwerttanz
und männerBund“
Wolframs Reputation in Kreisen der „völkischen“ Wissenschaften wie auch in jenen der
volkskundlichen Interessierten beruhte über dem Krieg hinaus nicht zuletzt auf seiner nie
vollständig veröffentlichten Habilitationsschrift. Auch er selber wies ihr einen zentralen
Stellenwert innerhalb seiner wissenschaftlichen Arbeit zu. Dies lässt sich daran erken-
nen, dass er bereits wenige Jahre nach Kriegsende wieder Bemühungen aufnahm, das
Werk erneut zu publizieren. Diese Bemühungen konzentrierten sich auf Köln, da er sich
von seinen dortigen Kontakten Unterstützung bei der Erlangung eines Stipendiums der
„Deutschen Forschungsgemeinschaft“ (DFG) erhoffte, wobei vor allem zwei Personen
von Bedeutung waren, mit denen Wolfram sowohl fachliche wie auch biografische Ge-
meinsamkeiten aufwies. Zum einen war dies der Leiter des Kölner Museums für Völker-
kunde, Professor Martin Heydrich157, zugleich auch Leiter des Seminars für Völkerkunde
an der Universität Köln. Heydrich leistete umfangreiche Hilfe bei der Erlangung des
DFG-Stipendiums und war darüber hinaus in die Bemühungen um die Wiedererlangung
der Venia legendi für Wolfram an der Universität Wien involviert. Es war auch in Köln,
wo Wolfram am 24. Februar 1955 einen Vortrag über „Schwerttanz und Männerbund“
im Seminar für Völkerkunde der Universität hielt, wiederum vermittelt von Heydrich158.
Der andere wichtige Kontaktmann war der Leiter des Instituts für Theaterwissenschaft an
der Universität Köln, Professor Carl Niessen159. Letzterer sollte sich in der Folge auch um
das berufliche Fortkommen Wolframs bemühen160.
157 Martin Heydrich, Professor für Völkerkunde an der Universität Köln (1940–1945, 1948–1958), Direktor des
Rautenstrauch-Joest-Museums (1940–1945 und 1948–1960), Seit 01.05.1933 NSDAP-Mitglied, Mitarbei-
ter des Rassepolitischen Amtes Dresden.
158 Das Typoskript des Vortrages ist im Nachlass erhalten. Siehe SLIVK, NRW, Vorträge 17631-N : Vortrag
„Schwerttanz und Männerbund“.
159 Carl Niessen, Theaterwissenschaftler. Kriegsfreiwilliger, Habilitation 1919, Gründer des Theaterwissenschaft-
lichen Instituts an der Universität Köln und Leiter des Theatermuseums. Obwohl nicht Partei-Mitglied seit
1933 Truppführer der SA, organisierte „Thingspiele“. 1939 Ernennung zum a.o. Professor für Theaterwissen-
schaft. Nach 1945 als „minderbelastet“ eingestuft und ab 1951 wieder Leiter der theaterwissenschaftlichen
Sammlung in Köln.
160 Es zeigen sich interessante Parallelen in den wissenschaftlichen Biografien der Beteiligten. Auch Heydrich
und Niessen hatten ihre Laufbahn in der Phase der frühen Institutionalisierung ihrer Disziplinen begonnen
und hatten durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten einen steilen Karriere-Aufstieg erfahren. Wie
Wolfram erhielten auch Heydrich (1940) und Niessen (1939) eine Professur im Rahmen des NS-bestimmten
Hochschulwesens. Wie Wolfram war auch Heydrich im NS Wissenschaftsapparat aktiv, im Rahmen der
„Zentralstelle für Kolonialfragen an der Universität Köln“ und als Mitarbeiter des Rassepolitischen Amtes.
Mit dem Ende des NS-Systems verloren alle drei als Belastete ihre akademischen Positionen im Hochschul-
bereich, um bereits nach wenigen Jahren wieder auf dieselben Lehrstühle und Leitungspositionen zurück-
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625