Page - 536 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
Image of the Page - 536 -
Text of the Page - 536 -
536 Jiří Němec
österreichische Archivare diente, schuf sich Borodajkewycz eine vorteilhafte Vorausset-
zung für eine zukünftige Anstellung im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv.
Zwei Monate später legte Borodajkewycz an der Philosophischen Fakultät der Universi-
tät Wien seine Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades in Geschichte
des Mittelalters und der Neuzeit in Verbindung mit Kunstgeschichte vor. Betreuer und
Erstgutachter der Arbeit mit dem langen Titel „Konstantin von Höflers Wendezeit : Ein
Beitrag zum geistigen Auseinandersetzung des Katholizismus mit dem deutschen Denken
in der ersten Hälfte der 19. Jahrhunderts“ war Srbik. Das Thema betraf eine von Srbik in-
tensiv erforschte Epoche, denn dieser hatte sich zuvor mit einer zweibändigen Metternich-
Biografie über die Grenzen Österreichs hinaus einen Namen gemacht37. Srbik war von
Borodajkewycz’ Studie über die Entwicklung des namhaften deutschen und katholisch-
konservativen Historikers und späteren Prager Universitätsprofessors Höfler noch mehr
angetan als von dessen Arbeit über Diepenbrock. Borodajkewycz präsentierte nicht nur
eine auf der Basis von Archivquellen gut geschriebene Biografie des jungen Höfler bis zum
Jahr 1843 (der eine Fortsetzung bis 1861 folgen sollte), sondern die Schrift ist gemäß Srbik
darüber weit hinaus […] zu einem geistvollen und wertvollen ideengeschichtlichen Beitrag zur
geistigen Entwicklung des deutschen Katholizismus überhaupt geworden. Der Verfasser, der selbst
im Tiefsten bewegt ist von dem Problem einer Synthese des deutschen klassischen Idealismus und
katholischer Gläubigkeit, hat mit außerordentlichem Reichtum geistesgeschichtlicher Begabung
und Vorbildung das Aufwachsen Höflers hinein gestellt in das Übergehen und [in] die Span-
nungen des Rationalismus und Neuhumanismus einer[seits und] des erwachenden romantisch-
christlichen Bewußtseins und des politischen Katholizismus anderseits. Nach Srbiks Meinung
war mit der Arbeit die Voraussetzung für die Zulassung zu den Rigorosen in reichem Maße
(was im Original noch unterstrichen wurde) erfüllt.38 Dementsprechend schloss Borodaj-
kewycz sein Rigorosum mit ausgezeichneter Bewertung ab und wurde am 18. März 1932 im
großen Saal der Wiener Universität zum Doktor der Philosophie promoviert39.
3. wissenschaftliche karriere
Borodajkewycz’ Dissertation hatte in Srbik reiche Hoffnungen auf das zukünftige Schaffen
des Verfassers erweckt40. Diese Hoffnungen sollte sein Schüler sogleich in einem neuen
37 Siehe Pesditschek, Srbik (wie Anm. 7) 278–284.
38 UAW, PH RA 11294 TB, Beurteilung der Dissertation von 04.02.1932. Hirsch drückte seine Übereinstim-
mung mit Srbiks Meinung am 07.02.1932 aus.
39 UAW, Philosophische Fakultät – Personalakten, Sig. PH PA 1129 TB, Kommissionsbericht.
40 Ebd.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625