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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 545
Die Habilitationskommission für Borodajkewycz tagte erstmals am 23. April 1937 und
neigte einstimmig der Meinung des Referenten Srbik zu. Dieser lobte die große Begabung
und den Fleiß Borodajkewycz’, wobei er mit keinem Wort auf die unübersehbare Iden-
tität der Dissertation mit der Habilitationsschrift einging. Er würdigte Borodajkewycz’
stete Bemühungen, deutsches Volksbewusstsein und Katholizität zu harmonischer Einheit zu
verbinden, und dessen Hinhabe an den deutschen Idealismus und die gesamten geistigen
Bewegungen des deutschen Volks im neunzehnten Jahrhundert83. Seinem Lob ließ Srbik den
Ausdruck seiner Hoffnung auf eine ausführlichere Kirchengeschichte Österreichs aus der
Feder des Habilitanten folgen84. Borodajkewycz’ Probevortrag über das Lutherbild in der
gegenwärtigen evangelischen Theologie in Juni 1937 rief wegen mangelnder Lebendigkeit
zwar eine Kritik hervor, aber insgesamt bestand Borodajkewycz alle Prüfungen, sodass der
positive Beschluss der Habilitationskommission im Dezember 1937 vom Bundesminister
bestätigt wurde85. Der frischgebackene Privatdozent für allgemeine Geschichte der Neu-
zeit konnte im folgenden Jahr mit seinen Vorlesungen an der Universität Wien beginnen.
Als in Folge des „Anschlusses“ auch die Universität Wien mit großer Zustimmung der
Mehrheit der Professoren und Studenten „gleichgeschaltet“ wurde und dementsprechend
nationalsozialistische Regeln für die Anstellung und Arbeit von Dozenten eingeführt wur-
den, konnte Borodajkewycz am 8. Mai 1940 ohne Schwierigkeiten zum Dozenten neuer
Ordnung vom zuständigen Reichsminister ernannt werden86.
österreichischen Ständestaats hinweist – partizipierten auch Rudolf Egger, Karl Lechner, Hans Hirsch, Otto
Brunner, Reinhold Lorenz, Ludwig Bittner, Edmund Glaisse v. Horstenau, Karl Braunias, Hans Sedlmayr,
Leopold Nowak und Wilhelm Bauer.
83 UAW, Philosophische Fakultät – PA TB, Kommissionsbericht (Abschrift).
84 Ebd : […] die eine unermessliche Fülle [korrigiert aus Fälle] des Stoffs bändigt, alle wichtigen Momente zu Wort
kommen lässt und immer auf das lebendige Werden sieht ; eine Darstellung voll Liebe zum Gegenstand und voll
strengen Wahrheitsdranges, voll Sachlichkeit mit ganz bestimmten Eigenstandpunkt ; in schöner Form ist ein reicher
Inhalt durchgeistigt und auch im Ungeistigen ist die Wirklichkeit erlebt, Tatsachen und Menschen sind plastisch
gegeben. Es ist zu wünschen, dass der Verfasser uns einmal eine Kirchengeschichte Oesterreichs in breiterer Ausführ-
lichkeit schenken möge.
85 Ebd, Schreiben des Dekans Hirsch an den Bundesminister für Unterricht vom 01.07.1937 ; Schreiben des
Bundesministers an den Dekan vom 01.12.1937 ; Schreiben des Dekans an Borodajkewycz vom 28.12.1937.
86 Vgl. UAW, Philosophische Fakultät – PA TB, Borodajkewycz’ Schreiben mit Ansuchen um Bestätigung der
Lehrbefugnis nach der neuen Reichs-Habilitationsordnung vom 19.07.1939, weiterer Briefwechsel und
Durchschlag der Ernennung zum Dozenten vom Reichsminister vom 08.05.1940. In den Akten befindet sich
auch ein Bericht der Schutzpolizei vom 09.06.1939 über eine polizeiliche Untersuchung des Hauses, in dem
Borodajkewycz wohnte : Taras Borodajkewycz, N.i.N., VI., Münzwardeingasse Nr. 7 wh., geniesst im genannten
Hause einen guten Ruf. Genannter wird als ruhiger, nüchterner, vertrauenswürdiger und in politischer Hinsicht
als verlässlicher Mensch geschildert. Nachteiliges konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Im Dezember 1939
war sein Antrag wegen Fehlens eines Abstammungszeugnisses eingestellt worden. Dieses wurde im April 1940
nachgereicht.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625