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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 549
wie 100%ige Nazis und an anderer Stelle Taras Borodajkewycz als einen der gläubigsten
Nationalsozialisten charakterisiert hat99. Dass Borodajkewycz Nationalsozialist und kein
Demokrat war, ist mindestens seit seiner selbstbewussten Aussage aus der berühmt ge-
wordenen „Pressekonferenz“ auf dem Boden der Wiener Hochschule für Welthandel im
März 1965 bekannt : Ich habe niemals meine Mitgliedschaft bei der NSDAP verleugnet, ich
bin ja freiwillig beigetreten. […] Wäre ich so ein guter Demokrat gewesen damals, nicht wahr,
setzte er mit seinem charakteristischen Diktum fort, so hätte ich wahrscheinlich einen Bei-
tritt zu einer antidemokratischen Partei nicht vollzogen100. Am 5. Juli 1946 bekundete der
Salzburger Verleger Otto Müller in einer eidesstattlichen Erklärung, dass Borodajkewycz
aus ideeller Überzeugung Nationalsozialist gewesen sei, was ihn allerdings nicht daran ge-
hindert hätte, den von der Gestapo verhafteten Müller im Gefängnis zu besuchen und sich
nachdrücklichst um seine Freilassung zu bemühen101. Es bietet sich hier eine Möglichkeit,
über die bisher seit den 1960er-Jahren bekannte Tatsache hinaus tiefer zu gehen und zu
fragen, wie die Beschreibung gläubiger Nationalsozialist (wobei Glaise-Horstenau mit dem
Wort „gläubig“ eigentlich nicht auf den katholischen Glauben Borodajkewycz’ abzielte)
zu verstehen ist.
Borodajkewycz trat höchstwahrscheinlich im Frühjahr 1934 in die illegale NSDAP in
Österreich ein. Dieser Zeitpunkt wurde im Mai 1938 von der Parteiverwaltung akzep-
tiert102. Seinen Nachkriegsäußerungen gemäß war der Beitritt zu den „Illegalen“ eine Ent-
scheidung, die er aus politischer „Empörung“ über die Art und Weise, wie das Dollfuss-
Regime gegen die sozialdemokratische Partei vorgegangen war, traf und für ihn die letzte
Möglichkeit einer politischen Opposition103. Er sollte dann längere Zeit nur sehr schwache
99 Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau 3. Deutscher Bevollmächtig-
ter General in Kroatien und Zeuge des Unterganges des „Tausendjährigen Reiches“, hg. v. Peter Broucek
(Wien/Köln/Graz 1988) 237.
100 ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/67, Tonbandabschrift der Pressekonferenz bzw. öffentlichen Diskussion vom
23.03.1965 5.
101 Ebd. Sig. B 1251/4, Müllers eidesstattliche Erklärung vom 05.07.1946. Müller schrieb auch : Wenn ich auch
seine politische Haltung als Nationalsozialist nicht teilen konnte, so musste ich doch seine menschlich saubere,
charaktervolle Haltung stets achten, aus der heraus er immer wieder versuchte, politisch Verfolgten Hilfe zu leisten.
Bekannt ist mir sein Einsatz für den verhafteten Prälaten [Jakob] Fried, über dessen Erfolg dieser wohl am besten
Auskunft zu geben vermag.
102 Für eine genauere Bestimmung nennen die retrospektiven Angaben im Gauakt zwei verschiedene Daten –
öfters ist 01.01.1934 erwähnt, seltener 01.02.1934. Dabei ist aber auch interessant, dass Borodajkewycz in
Oktober 1943 vor dem Wiener Parteigericht sagte, dass er bereits 1923 der NSDAP zuneigte, allerdings aus
opportunistischen Gründen lieber dem CV Norica beitrat : Der Angeschuldigte hat sich frühzeitig dem politi-
schen Leben zugewandt. Er ist nach seinen Angaben bereits 1923 der NSDAP, später aber aus politischen Gründen
dem CV beigetreten […]. ÖStA AR, BMI/GA, 217 R, Taras Borodajkewycz, S. 54, Urteil des Gaugerichtes
Wien der NSDAP vom 07.10.1943.
103 Ich bin der Partei beigetreten im Frühjahr 1934 und zwar muß ich sagen waren ein wesentlicher Anstoß für mich
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625