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550 Jiří Němec
Kontakte gehabt [haben], weil die illegale Partei ja immer wiederum durch Verhaftungen
gewissermaßen führerlos und aktionslos gemacht wurde, aber dann nach dem Juliabkommen
nach 1936 ist dann die Tätigkeit eine intensivere geworden und zwar man hat dann vor al-
lem sehr überlegt, wie machen wir das, um eine vernünftige Lösung in der Österreichfrage zu
bekommen104.
Mit vernünftiger Lösung war die möglichst enge Bindung Österreichs an NS-Deutsch-
land gemeint, die auch mittels Zusammenschluss beider Staaten geschehen konnte.
Über die Verwirklichung einer großdeutschen, oder mit ihren Worten gesamtdeutschen
„Anschluss“-Perspektive Österreichs träumten national und völkisch denkende Intellektu-
elle, oft auch katholischer Prägung, die in der Literatur als „Betont-Nationale“ oder „Ka-
tholisch-Nationale“ bekannt sind, und die neben den radikaleren Nationalsozialisten eine
gemäßigte Form der nationalen Opposition gegen das Schuschnigg-Regime darstellten105.
Sie bildeten eine einflussreiche Akademikerschicht mit eigenen, später fast in Vergessen-
heit geratenen Netzwerken106. Nach außen präsentierten sie sich mit dem Sammelband
„Katholischer Glaube und Deutsches Volkstum in Österreich“ (1934) sowie mit dem
die Februarereignisse, weil wir empört waren über die Art und Weise, wie da vorgegangen worden ist, auch wenn
ich persönlich ja den Sozialdemokraten nicht nahe stand, aber die Brutalität, mit der die Heimwehr und der Fey
die Aktion gemacht haben, hat also doch allgemeine Aufregung verursacht. Dann haben wir gesehen und uns
gesagt, wenn diese starke Partei innerhalb weniger Tage verschwindet, dann muß es anders gemacht werden. Der
Widerstand gegen das Dollfussregime und das geht also offensichtlich nur mit der NSDAP. Interview Ackerl (wie
Anm. 27) 24–25. Einer anderen apologetischen Erklärung seiner Frau gemäß, die seine aktive Mitgliedschaft
generell zu relativieren suchte, war es einem Zufall geschuldet, dass ihr Mann Parteimitglied geworden war.
104 Ebd. 25.
105 Adam Wandruszka, Österreichs politische Struktur. Die Entwicklung der Parteien und politischen Be-
wegungen, in : Geschichte der Republik Österreich, hg. v. Heinrich Benedikt (Wien 1954) 411–417 ; Ra-
domír Luža, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit (Wien/Köln/Graz 1977) 32–45 ; Brou-
cek, Persönlichkeiten (wie Anm. 97) ; Weinzierl, Prüfstand (wie Anm. 97) 63–74 ; Janek Wassermann,
Black Vienna : The Radical Right in the Red City, 1918-1938 (Ithaca 2014).
106 Zahlreiche von ihnen waren Mitglied im „Deutschen Klub“, einem einflussreichen Netzwerk und „parapo-
litischen Verein“, der dem „österreichischen Nationalsozialismus eine wichtige Plattform bot“. Siehe Linda
Erker, Andreas HuBer, Von der „Pflegestätte nationalsozialistischer Opposition“ zur „äußerst bedrohlichen
Nebenregierung“. Der Deutsche Klub vor und nach dem „Anschluss“ 1938, in : Zeitgeschichte 44 (2017)
Heft 2 78–97 ; Andreas HuBer, Katholisch-deutschnationale Eliten. Cartellverband, Deutscher Klub und
ihre Mitglieder in der Hochschullehrerschaft der Universität Wien 1932–1950, in : Kreise – Bünde – Intel-
lektuellen-Netzwerke, hg. v. Frank Michael Kuhlemann, Michael Schäfer (im Druck). Borodajkewycz
gehörte nicht zu den Mitgliedern des Deutschen Klubs, einige Mitteilungsblätter des Deutschen Klub aus
den Jahren 1932/1933, die sich in seinem Nachlass befinden (ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/112), beweisen
allerdings zumindest sein Interesse an der Tätigkeit dieses Kreises. Als sich eine Nachfolgeorganisation des
Deutschen Klubs 1957 als Neuer Klub konstituierte, wurde er Mitglied und war als oft eingeladener Vortra-
gender geschätzt.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625