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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 559
1933 unterstützendes Mitglied der SS (aktiv seit 1. März 1934) und im März 1934 Mit-
glied der illegalen NSDAP. Für den Nachrichtendienst der SS war er seit dem Mai 1934
in Wien tätig und stieg noch während der illegalen Zeit der NSDAP vom Bezirksmann
eines Sturmbannes über die Leitung desselben bis zur Leitung des SS-Nachrichtendienstes
in ganz Wien auf. Nach dem „Anschluss“ baute Höttl als Referent des Wiener Leitab-
schnittes des SD dessen Abteilung für Bekämpfung der Kirchen, Juden und Freimauerei
auf146. Auf Grund seiner ausgezeichneten Leistungen wurde Höttl im Dezember 1940 mit
der Leitung des Referates VI beauftragt, im Februar 1942 aber zur Waffen-SS einberufen
(Kriegsberichterstattung). Nach einem Jahr Kriegsdienst versetzte man ihn in das Amt VI
des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) nach Berlin, wo er bis zum Kriegsende im Grad
eines SS-Sturmbannführers als Hauptreferent und Spezialist für südosteuropäische und
italienische Fragen tätig war147. Nach seiner Entlassung aus amerikanischer Haft im De-
zember 1947 arbeitete er 1948–1949 für den amerikanischen Nachrichtendienst Counter
Intelligence Corps (CIC) in Österreich, und zwar bis zum Vertrauensverlust seitens des
CIC, da er aus früheren Mitarbeitern des SD bzw. SS ein Agenten-Netzwerk gebildet
hatte148. Höttl arbeitete nachfolgend als freier Schriftsteller und leitete seit den 1950er-
Jahren drei Jahrzehnte lang ein von ihm gegründetes Privatgymnasium in Bad Aussee.
In Herbst 1941 wurden gegen Höttl von seinem ehemaligen Wiener Vorgesetzten
Vorwürfe erhoben149. Diesem erschienen Höttls Arbeitsmethoden zu selbständig, und
er soll sich auch mit weltanschaulich bedenklichen Leuten umgeben haben, was in seine
mangelnde weltanschauliche Ausrichtung und unklare Haltung mündete150. Das eingeleitete
Disziplinarverfahren blieb schließlich ohne Ergebnis. In dessen Verlauf entstand aber ein
Konvolut interessanter Dokumente, die unter anderem ein aufschlussreiches Bild von
Borodajkwycz als einer der wichtigsten weltanschaulich bedenklichen Personen bieten151.
146 BAB, SS-Führerpersonalakten 105-A, Nr. 5, Lebenslauf von W. Höttl vom 09.05.938 (Abschrift) und Höttls
Schreiben vom 05.07.1942. Zitat stammt aus einem Lebenslauf.
147 Ebd. Antrag auf bevorzugte Beförderung Höttls zum SS-Strumbannführer, 10.1943.
148 Vgl. Thomas Riegler, Wie der US-Geheimdienst Ex-Nazis anheuerte und so die FPÖ-Gründung förderte,
in : Profil online 04.12.2013, http://www.profil.at/articles/1349/985/370249/wie-us-geheimdienst-ex-nazis-
fpoe-gruendung (Letzter Zugriff 16.10.2014). Zur Auflösung des nachrichtlichen Netzwerkes von Höttl im
Jahr 1949 siehe CIC document No/ESDN : 519b7f9b993294098d5134ed : Memorandum for the record,
Subjekt : Droping of Project „Montgomery“ and „Mount Vernon“, in : http://www.foia.cia.gov/sites/default/
files/document_conversions/1705143/HOETTL%2C%20WILHELM%20%20%20VOL.%201_0004.pdf
(Letzter Zugriff 16.10.2014).
149 BAB, SS-Führerpersonalakten 105-A, Nr. 5, Schreiben des SS-Sturmbannführers Polte an SS-Sturmbannfüh-
rer (Walter ?) Schellenberg vom 19.09.1941.
150 Zitat aus einem Schreiben Höttls vom 05.07.1942 ebd.
151 Wie Anm. 149 : Höttl war in der Auswahl seiner V-Männer und Mitarbeiter ausserordentlich grosszügig. Be-
sonders gute Beziehungen hatte er zu einem Kreis katholisch orientierter Leute, an der Spitze Dr. Borodajkewycz.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625