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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 571
im Mai 1942 der junge ehrgeizige, betont nationalsozialistische Dozent der Reichsuniver-
sität Posen und Mitglied der SS, Hans Joachim Beyer, an die Universität berufen191. Im
Zusammenhang mit seiner Politik wollte Heydrich in Prag mehrere neue Lehrstühle ein-
richten. Beyer, seit September 1942 SS-Hauptsturmführer und zum Professor der Volks-
lehre und Nationalitätenkunde Osteuropas ernannt, versuchte, die neu zu errichtenden
Extraordinariate mit ihm bekannten und straff nationalsozialistisch ausgerichteten „Wis-
senschaftlern“ zu besetzen. So wurde Rudolf Hippius von Posen aus nach Prag geholt, wo
er als Professor für Sozial- und Völkerpsychologie zusammen mit Beyer das Institut für eu-
ropäische Völkerkunde und Völkerpsychologie der Reinhard-Heydrich Stiftung leitete192.
Der Weisung Heydrichs und dem Streben Beyers um Zusammenarbeit mit Kollegen
ähnlicher Weltanschauung verdankte Borodajkewycz indirekt seinen Prager Lehrauftrag.
Denn das andere Extraordinariat, das beim ersten Erscheinen Beyers in der Sitzung des
Fakultätsausschusses auf der Vorschlagsliste stand, war eines für neuere Geschichte mit
besonderer Berücksichtigung Südosteuropas. Während seiner Tätigkeit an der Auslands-
wissenschaftlichen Fakultät der Universität in Berlin hatte Beyer den jungen Historiker
Fritz Valjavec kennengelernt193, der sich intensiv mit geschichtlichen Problemen des euro-
päischen Südostens seit der Aufklärung beschäftigte und im Südost-Institut in München
als Geschäftsführer tätig war. Zudem fungierte er als Redakteur der dort herausgegebe-
nen Zeitschrift „Südostforschungen“. Valjavec war seit 1933 in der NSDAP organisiert,
arbeitete in der Parteiamtlichen Prüfungskommission mit und hatte als Mitglied der
191 Dabei wurde sein bereits neu gegründeter Lehrstuhl von der Posener Universität nach Prag verlegt, vgl. UAP,
Philosophische Fakultät, Karton 72, Nr. 891–897, Verhandlungsschriften der Sitzungen des Fakultätsaus-
schusses 1939–1945, Sitzung vom 14.05.1942. Näher zu Beyer siehe Andreas Wiedemann, Hans Joachim
Beyer, in : Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen, Institutionen, Stiftungen, hg. v. Ingo Haar,
Michael FahlBusch (München 2008) 65–68 ; Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des
„Volkstums“ und der Massenvernichtungen : Der Fall Hans Joachim Beyer, in : Geschichtsschreibung als Le-
gitimationswissenschaft, hg. v. Peter Schöttler (Frankfurt/M 1997) 262–342. Zur Stiftung siehe Andreas
Wiedemann, Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (Dresden 2000).
192 Zu Hippius gibt es keine ausführliche biografische Darstellung, siehe aber den Art. „Rudolf Hippius“ in :
www.de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Hippius (Letzter Zugriff 05.10.2014), und auch Wiedemann, Die
Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 191) 61f.
193 Zu Valjavecs Biografie und seiner Tätigkeit in der SS siehe vor allem Klaus Popa, Fritz Valjavec, in : Hand-
buch der völkischen Wissenschaften (wie Anm. 191) 697–700 ; Ingo Haar, Friedrich Valjavec. Ein Histori-
kerleben zwischen den Wiener Schiedssprüchen und der Dokumentation der Vertreibung, in : Theologie und
Vergangenheitsbewältigung. Eine kritische Bestandaufnahme im interdisziplinären Vergleich, hg. v. Lucia
ScherzBerg (Paderborn/München/Wien/Zürich 2005) 103–119 ; Gerhard Grimm, Georg Stadtmüller
und Fritz Valjavec : Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung, in : Ebd. 237–255 ; Krista Zach, Friedrich
Valjavec nach seinen privaten tagebuchartigen Aufzeichnungen (1934–1946), in : Ebd. 257–273 ; Norbert
SpannenBerger, Vom volksdeutschen Nachwuchswissenschaftler zum Protagonisten nationalsozialistischer
Südosteuropapolitik : Fritz Valjavec im Spiegel seiner Korrespondenz, in : Ebd. 215–235.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625