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602 Jiří Němec
sionistische Geschichtsbetrachtung der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhundert,
in der die antisemitisch-rassistischen Grundlagen wie auch die mörderische Politik des
NS-Regimes vertuscht oder verschwiegen werden316. Häufig publizierte Borodajkewycz
in deutschnationalen oder rechtsextremen Medien (beispielsweise Eckartbote, Die Aula,
Deutsche Annalen : Jahrbuch der Nationalgeschehens, Eckartschriften) und erreichte
dort ein burschenschaftliches und landsmannschaftliches Publikum in Österreich und
Deutschland317. In Veranstaltungen des rechtsextremen Verbandes Aktionsgemeinschaft
für Politik erschien er als Vortragender und wurde in Kreisen der Nationaldemokratischen
Partei Deutschlands (NPD) als „Geschichtsexperte“ zur Mitarbeit eingeladen318. Borodaj-
aber diejenigen, die es wissen müssten, heute streiten, ob 6,5 oder gar „nur“ 4 Millionen Menschen umgebracht
wurden, nur weil sie einer anderer Rasse angehörten, so ist das einfach unverant[wort]lich. Ebenso unverantwort-
lich erscheint es, wenn man die wenigen erhaltenen Fotos aus dieser Zeit, nackte Frauen und Kinder, halbe Skelette,
die in die Gasanlagen getrieben wurden, als „Fälschungen“ abtut, ebenso wie die Leichenberge auf den Eisenrosten.
Sicher ist in diesem Zusammenhang manches gefälscht worden, aber man muss sogar Verständnis dafür haben,
wenn ein Jude, dem die Flucht nach den USA gelungen war und dessen ganze Verwandtschaft in Europa ausgerot-
tet wurde, auch zu solchen Methoden greift, um das grauenhafte Verbrechen noch mehr zu verdeutlichen. Verständ-
nis vielleicht, billigen kann man es nicht, denn auch über dieses Kapitel soll nur die Wahrheit, die reine Wahrheit
verbreitet werden. Ich wollte das seinerzeit auch und habe Eichmanns – falsche, wie sich nachher herausstellte – 6
Millionenzahl berichtet. Die 5 Millionen sind leider übrig geblieben ! Ebd., Sig. B1251/37 (Hervorhebungen im
Original). Im Kontext aktueller Holocaust-Leugnung kommt Aussagen wie dieser, die aus dem engsten Kreis
der SS bzw. der Täter herrühren, erhebliche Bedeutung zu.
316 Siehe vor allem das Büchlein Taras Borodajkewycz, Wegmarken der Geschichte Österreichs (Eckart-
Schriften Heft 42, Wien 1972) 72f., in dem nur kurz die antisemitische Politik des NS-Regimes erwähnt
wird : Für den 20. Mai 1938 wird die Einführung der Nürnberger Rassengesetze in Österreich genannt und
zum 10. November 1938 wird über die Zerstörung der jüdischen Synagogen in Wien und anderen öster-
reichischen Städten durch die „im ganzen Reich inszenierte[n] ‚Kristallnacht‘“ berichtet, die „als Antwort
[sic] auf die Ermordung des deutschen Legationssekretärs E. v . Rath durch Herschel Grynszpan“ dargestellt
wird. Es wird zwar das System der NS-Konzentrationslager erwähnt, freilich allein bezüglich Mauthausen
und die Opfer der NS-Justiz in Österreich. Mit der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren wird
Hitlers Politik als Überschreitung der Grenzen „vom deutschen Nationalstaat zu einem imperialistischen
Herrschaftssystem über nichtdeutsche Bevölkerungsteile“ bezeichnet. Ebd. 74.
317 Vgl. dazu das Vorwort „Vom Sinn dieser Schrift“ des Büchleins „Wegmarken der Geschichte Österreichs“,
unter dessen Titel als Autor die „Österreichische Landsmannschaft“ angegeben wird, das – dem Manuskript
in Nachlass nach (Sig. B1251/184) – aber eindeutig von Borodajkewycz stammt. In Taras Borodajkewycz,
Saint-Germain. Diktat gegen Selbstbestimmung (Eckart-Schriften Heft Nr. 31, Wien 1969) 43, wird der
Frieden vom 1919 als eine „so blindwütig verspielte Chance eines halbwegs gerechten Friedens“ und somit
als Wurzel der späteren Katastrophe, die „namenloses Unglück und Leid über Europa und die Welt“ brachte,
dargestellt. Unter dem Pseudonym Heinrich Langer publizierte Borodajkewycz „Zwanzig Jahre österreichi-
scher Staatsvertrag. Eine gesamtdeutsche Bilanz“, in : Deutsche Annalen 1975. Jb. des Nationalgeschehens
203–215.
318 Am 15.06.1976 hielt Borodajkewycz für die „Aktionsgemeinschaft für Politik (Arbeitskreis Burgenland)“
im Rahmen ihrer Veranstaltung „Kommentare zum Zeitgeschehen“ den Vortrag „1000 Jahre Österreich :
Ein Jahrtausend deutsches Bollwerk des Abendlandes. (ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/32, Vervielfältigte
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Volume 3
- Title
- Österreichische Historiker
- Subtitle
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Volume
- 3
- Author
- Karel Hruza
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Category
- Biographien
Table of contents
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625