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und muslimischer Gruppierungen einerseits und der in allen jüdischen Migrati-
onsphasen starken Präsenz des wirtschaftlichen Motivs (die Suche nach Beschäfti-
gungsmöglichkeiten etc.) andererseits, gewann die „Normalisierungsthese“, wonach
die Wanderung von Jüdinnen und Juden keineswegs als außergewöhnlicher Prozess
anzusehen wäre, an Boden. Gleichzeitig wurden aber auch ihre Grenzen deutlich:
Bei den Zwangsmigrationen während und nach dem Ersten Weltkrieg und vor
allem bei den systematisch erfolgten Vertreibungen und Deportationen durch die
Nationalsozialisten verliert der Ansatz weitgehend seine Gültigkeit.
Trotz Anerkennung der Vielzahl an unterschiedlichen Ursachen und des jewei-
ligen spezifischen Kontexts jüdischer Migrationsprozesse muss der Antisemitismus
in all seinen Erscheinungsformen bei den meisten Wanderungsbewegungen als so
genannter „Push-Faktor“ und somit als unmittelbarer Auslöser mitberücksichtigt
werden. Im weiteren Sinne wird auch daran angeknüpft, wenn es darum geht, die
Wechselwirkung von Antisemitismus und Zionismus zu untersuchen, kann doch
der politische Zionismus Theodor Herzls als nationaljüdische Antwort auf ein seit
Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend antisemitisch geprägtes Europa gesehen
werden. Gleichzeitig markiert der Beginn der zionistischen Bewegung den Anfang
der modernen jüdischen Masseneinwanderung nach Palästina.
Palästina-Wanderung
Der besondere Stellenwert, den die jüdische Migration innerhalb der allgemeinen
Migrationsgeschichte trotz und wegen ihrer unterschiedlichen Bewertung in der
Historiographie einnimmt, tritt nirgends deutlicher in Erscheinung als beim Ziel-
land Palästina. Untrennbar mit der jüdischen Geschichte und Tradition verbunden,
kommt der Destination in erster Linie durch die religiöse Komponente Bedeutung
zu: Mit der Entstehung der jüdischen Diaspora außerhalb der Grenzen des „Landes
Israel“ begann ebenfalls die Hoffnung auf eine Rückkehr nach „Erez Israel“23 bzw.
nach Jerusalem und dem Tempel – zentrale Bezugspunkte, für welche im Laufe
der Zeit das Synonym „Zion“24 gebraucht wurde. Als „geotheologischer Begriff“,
der den Bezug auf den realen Ort mit der Erwartung von Heil vereint, meint „Erez
Israel“ dem Wortsinn nach „Land (Boden, Stadt, Berg) des Heiligen“ und verknüpft
dabei mehrere Dimensionen des Heiligen. Im Zentrum steht die Vorstellung, dass
Gott der Besitzer des Landes wäre und in ihm präsent wäre. Als Bezeichnung für
das von den Israeliten besiedelte Land setzte sich „Erez Israel“ trotz mehrmaliger
Erwähnung in der Hebräischen Bibel nur langsam durch. Aus jüdischer Sicht bewies
die Vielzahl an biblischen Belegen die kontinuierliche Gegenwart und Bindung
23 Andere gängige Schreibweisen sind z. B. „Eretz Israel“ und „Eretz Yisrael“.
24 Ursprünglich meinte „Zion“ nur einen Hügel Jerusalems, später auch den angrenzenden Tempel-
berg und schließlich ganz Jerusalem und das ganze Land.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918