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Palästina-Kolonisationsvereine in Kattowitz im Jahr 1884. Federführend wirkte
dabei erneut der „Kadimahner“ Birnbaum, der mit seinen Schriften signifikante
Beiträge zum Programm des österreichischen Zionismus lieferte und dabei seine
Argumentationslinie korrespondierend zu seiner persönlichen Überzeugung mehr-
mals veränderte.82 In der Broschüre „Die Assimilationssucht – Ein Wort an die
sogenannten Deutschen, Slaven, Magyaren usw. mosaischer Konfession von einem
Studenten jüdischer Nationalität“ (1884) agitierte er gegen die Assimilation und für
die Wiedererweckung des Nationalbewusstseins und die zionistische Kolonisation
in Palästina – „ein Zufluchtsort für die Exilsmüden und eine Stütze im morali-
schen und materiellen Sinne für die im Exil Verbleibenden.“83 Auch in der 1893
veröffentlichten Publikation „Die nationale Wiedergeburt des jüdischen Volkes in
seinem Lande als Mittel zur Lösung der Judenfrage“ ging es ihm vorwiegend um
die Verbreitung der Kolonisationsidee. In der jüdisch-nationalen Zeitschrift „Selbst-
Emanzipation“ (herausgegeben von 1885 bis 1886 und 1890 bis 1893), die er im
Prinzip in Eigenregie produzierte, führte er eine eigene Rubrik für Nachrichten über
die Kolonisation ein und initiierte die Gründung des Vereins „Admath Jeschurun“.
In den 1886 festgelegten Statuten hieß es: „Der Verein bezweckt die Kolonisation
Palästinas durch arme und beschäftigungslose Juden. Die Erreichung dieses Zwe-
ckes wird angestrebt durch Propagierung der Kolonisationsidee und durch finanzi-
elle Unterstützung der Kolonisten.“84 Einen Zuwachs sowohl der Mitglieder als auch
der Aktivitäten verzeichnete der Verein erst zu Beginn der 1890er Jahre, ebenfalls
wurden weitere Vereinigungen gleicher Zielsetzung gegründet, die sich 1893 zum
Verband österreichischer Kolonisationsvereine „Zion“ zusammenschlossen. Der
„Admath Jeschurun“ konstituierte sich als Einzelverein „Wien“. Gemeinsam mit
anderen Einzelvereinen wurde auf der ersten Delegiertenversammlung des Ver-
bandes „Zion“ unter anderem beschlossen, dass das verfügbare Budget jeweils zur
Hälfte der Propaganda- und der Kolonisationstätigkeit zufließen sollte und dass
Kolonisten entweder in Form von rückzahlbaren Darlehen, Verpachtungen oder
auf Ratenzahlungen basierenden Verkäufen unterstützt werden sollten. Zur Anwen-
dung kamen diese Bestimmungen allerdings noch äußerst selten: War der österrei-
chische Anteil in der ersten Phase der modernen jüdischen Palästina-Wanderung
(streng genommen bis zur Zwischenkriegszeit und auch darüber hinaus) insgesamt
äußerst marginal, so bewirkten die von den Türken zu Beginn der 1890er Jahre
neu eingeführten Einwanderungsbestimmungen einen allgemeinen Rückgang
der Immigration und hemmten die Umsetzung des Kolonisationsprogramms. Die
bereits bestehenden Siedlungen stagnierten und erst durch die antisemitischen Ver-
folgungen in Russland strömten erneut tausende Immigrantinnen und Immigran-
ten nach Palästina und lösten damit die zweite große jüdische Einwanderungswelle,
die Zweite Alijah (1903/04 bis 1914), aus.
Mit dem Bestreben, eine gesamtösterreichische zionistische Organisation und
ein umfassendes Programm zu entwickeln, beriefen die Delegierten des Verbandes
82 Vgl. Ebda., S. 313–343.
83 Zit. in: Ebda., S. 316.
84 Zit. in: Gaisbauer, Davidstern, S. 49.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918