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Lord Walter Rothschild (1868–1937) verfasste Deklaration spricht den „jüdischen
zionistischen Bestrebungen“ im Namen der Regierung und gebilligt vom Kabinett
folgende Sympathiebekundungen zu:
„His Majesty’s Government view with favour the establishment in Palestine
of a national home for the Jewish people, and will use their best endeavours
to facilitate the achievement of this object, it being clearly understood that
nothing shall be done which may prejudice the civil and religious rights
of existing non-Jewish communities in Palestine, or the right and political
status enjoyed by Jews in other country.“95
Mit dem für die zionistische Bewegung bedeutenden Dokument anerkannte Groß-
britannien den Anspruch der Jüdinnen und Juden auf nationale Selbstregierung
und sicherte ihnen bei der Realisierung Unterstützung zu. Die politischen Rechte
in anderen Staaten sollten gleichzeitig nicht beeinträchtigt werden. Die Wortwahl
der Deklaration lässt allerdings zahlreiche und vielfältige Deutungen zu. Wie
Gudrun Krämer feststellt, handelt es sich um einen sorgsam abgewogenen Text,
„der weitreichende Interpretationen erlaubte, ohne die britische Seite zu konkre-
ten Maßnahmen zu verpflichten“96. Palästina wurde nicht als künftiger jüdischer
Staat bezeichnet
– geschaffen werden sollte eine „nationale Heimstätte in Palästina“,
wobei diese Bezeichnung besonders angesichts der fehlenden Erwähnung von terri-
torialen Begrenzungen nichts anderes meint, als dass diese in einem Teil des Landes
zu errichten sei. Auffallend ist außerdem die Wortwahl in Bezug auf die „nichtjüdi-
schen Gemeinschaften“, unter die man die im Land lebenden Muslime und Christen
zusammenfasste, während die Juden explizit als „jüdisches Volk“ genannt werden.
Zeitlich durch den Weltkrieg in eine politisch und militärisch unsichere Phase
gefallen, wirkte die Veröffentlichung nicht nur für die jüdische Gemeinschaft, son-
dern international und selbst in Großbritannien als Überraschung. Abgesehen von
der Auffassung, dass dem Kriegsverlauf innen- und außenpolitisch die größte Pri-
orität zugemessen werden sollte, charakterisierten viele britische Politiker die Idee
eines jüdischen Staates als absurd und wertlos und fürchteten eine Verschlechte-
rung der Beziehungen zu den Arabern. Den Bestimmungen der Balfour-Erklärung
folgend, sprach sich der spätere Hochkommissar Herbert Samuel (1870–1936)97 –
obwohl überzeugter Zionist
– für eine behutsame Etablierung des jüdischen Staates
aus, da eine arabische Benachteiligung nicht toleriert werden könne:
„It is quite true that a great many, I might say almost all, of the British of-
ficials in Palestine are not sympathetic to a Zionist policy which would be
95 Stein, Balfour Declaration, S. 1 (Facsimile of the Balfour Declaration, 2. 11. 1917). Zur Balfour-
Deklaration siehe außerdem Sachar, Israel, S. 8–115.
96 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 179.
97 Zu Herbert Samuel siehe u. a. Sahar Huneidi, A Broken Trust. Herbert Samuel, Zionism and the
Palestinians 1920–1925, London 2001.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918