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tritt insbesondere das Bestreben des Völkerbundrates hervor, „die bürgerlichen
und religiösen Rechte aller Einwohner Palästinas, ohne Unterschied der Rasse und
Religion“106, sicherzustellen. Gleichberechtigung sollte neben den rechtlichen, wirt-
schaftlichen, administrativen und sprachlichen Bereichen vor allem in Bezug auf
den freien Zugang zu den „Heiligen Stätten“ (Artikel 13) gewährleistet werden.
Obschon Bemühungen um eine egalitäre Behandlung der Juden und Araber in
einigen Punkten erkennbar sind, wandten sich mehrere Bestimmungen ausschließ-
lich an das jüdische Volk. Artikel 4 sah die Anerkennung einer „angemessenen
jüdischen Vertretung (Jewish Agency)“ als öffentliche Körperschaft vor, die die
Verwaltung Palästinas in Belangen der jüdischen Bevölkerung beraten und mit
ihr zusammenarbeiten sollte. Eine solche Vertretung – im Frühjahr 1918 traf die
„Zionistische Kommission“ als Repräsentation der „Zionistischen Weltorganisa-
tion“ unter Chaim Weizmann in Palästina ein und wurde später von den Briten als
Sprecherin der jüdischen Gemeinschaft anerkannt – war in Bezug auf die Araber
nicht vorgesehen.107 Eine ungleiche Behandlung der beiden Bevölkerungsgruppen
bedingte aber insbesondere jene Anweisung, die die Begünstigung der jüdischen
Immigration zum Inhalt hatte:
„Die Verwaltung Palästinas soll unter der Sicherung, dass die Rechte und die
Lage anderer Teile der Bevölkerung nicht beeinträchtigt werden, jüdische
Einwanderung unter geeigneten Bedingungen erleichtern und in Zusam-
menarbeit mit der in Artikel 4 erwähnten ‚Jewish Agency‘ eine geschlossene
Ansiedlung von Juden auf dem Lande […] fördern.“108
1919, als der Völkerbundvertrag unterzeichnet wurde, und auch in den folgenden
Jahren war die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Palästinas arabisch. Einer
halben Million Muslimen stand eine Minorität von rund 65.000 Jüdinnen und
Juden gegenüber, eine Zahl, die sich erst mit den massiven Einwanderungsströ-
men der 1930er Jahre vermehrte.109 Die Empfehlung, die jüdische Einwanderung zu
erleichtern, um eine jüdische Majorität herbeizuführen und letztendlich einen jüdi-
schen Staat errichten zu können, bedeutete, dass die nationale Selbstbestimmung
der arabischen Majorität vorenthalten worden war. Der im Auftrag der britischen
Palästina-Kommission veröffentlichte „Peel-Bericht“ von 1937 beschreibt die Pro-
blematik der Einwanderungsregelungen wie folgt:
„Es [„die gewaltsame Umwandlung Palästinas in einen jüdischen Staat ge-
gen den Willen der Araber“] würde bedeuten, dass man den Arabern die
Gelegenheit, sich selbst zu regieren, verweigert hätte, dass man sie aus der
türkischen Herrschaft nach einer Zwischenzeit des Kampfes in die jüdische
106 Ebda., S. 39. (Artikel 2).
107 Ebda., (Artikel 4).
108 Ebda., (Artikel 6).
109 Siehe die Bevölkerungszahlen u. a. in: Justin McCarthy, The population of Palestine. Population
history and statistics of the late Ottoman period and the Mandate, New York 1990.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918