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48 Herrschaft „hinübergespielt“ habe. Zwar könnte im Licht der Geschichte die
jüdische Herrschaft über Palästina nicht als Fremdherrschaft im gleichen
Sinn wie die türkische betrachtet werden, aber die internationale Anerken-
nung des Rechtes für die Juden, in ihr altes Heimatland zurückzukehren,
bedeutet nicht auch die Anerkennung eines Rechtes der Juden, die darin
wohnenden Araber gegen ihren Willen zu regieren.“110
Aus dieser Einschätzung geht deutlich hervor, dass die Bestimmungen des Man-
datsvertrages, den Status nichtjüdischer Bevölkerungsgruppen nicht zu verändern,
nicht mehr als Bemühungen zu charakterisieren sind, die aufgrund der expliziten
Bevorzugung des jüdischen Volkes nicht realisierbar waren. Die Unzufriedenheit
der arabischen Bevölkerung, die sich im Zuge der wachsenden Zuwanderung der
Jüdinnen und Juden noch erheblich steigern sollte, war damit vorprogrammiert.
Die aus der „doppelten Verpflichtung“ (der allgemeine Mandatsauftrag verpflichtete
den Mandatar zur Förderung der lokalen Selbstverwaltung, hielt ihn aber auch zur
Unterstützung einer jüdischen nationalen Heimstätte an) resultierende schwierige
Position war selbst den Briten bewusst: Abgesehen vom Wissen um die komplizierte
Lage dominierte in London die Überzeugung, dass das Empire nicht mehr ver-
größert werden sollte. Der von manchen Seiten ins Spiel gebrachte Vorschlag, das
Mandat an die USA „weiterzugeben“, wurde jedoch nicht nur von den Amerikanern
selbst, sondern auch von der zionistischen Seite zurückgewiesen – dem amerika-
nischen Demokratieverständnis folgend, wonach die zahlenmäßige Minderheit in
der zahlenmäßigen Mehrheit aufgehen sollte, fürchtete sie, dass im Falle Palästinas
den Arabern die Macht zugesprochen werden würde.111
So erfolgreich der Mandatsvertrag für die Zionistinnen und Zionisten insgesamt
ausgegangen war
– Rückschläge mussten sie dennoch verbuchen. Enttäuscht wurden
sie vor allem in der Gebietsfrage, denn entgegen ihren Vorstellungen, wonach das
Jüdische Nationalheim auf dem gesamten historischen Palästina errichtet werden
sollte, trennte der 25. Artikel des Vertrages Transjordanien von diesem Landstrich
ab. Das wichtigste Ziel, die internationale Anerkennung der Balfour-Deklaration
zugunsten der Errichtung einer nationalen Heimstätte in Palästina, wurde dennoch
erreicht. Das Schicksal dieser Heimstätte hing fast ausschließlich von der jüdischen
Einwanderung ab, die Jahr für Jahr zunahm.
Einwanderungskategorien
Mit dem Passus, „die jüdische Einwanderung unter angemessenen Bedingungen
zu erleichtern“, verpflichtete der Völkerbund die Briten dazu, die Immigration
der Jüdinnen und Juden zu erleichtern, aber gleichzeitig zu regulieren. Umgesetzt
110 Peel-Bericht, S. 47.
111 Tom Segev, Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels, Mün-
chen 2005, S. 133.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918