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74 „Die Mitglieder der Palästina-Amts-Kommission sind durch den Ansturm
der Parteien und durch die Kämpfe bei der Verteilung der Zertifikate zwi-
schen den einzelnen Mitgliedern bereits total zermürbt. Wir müssen Ih-
nen zu unserem Bedauern mitteilen, dass die Vertreter des Zionistischen
Landesverbandes in der Palästinakommission nicht mehr gewillt sind, ihre
Mandate weiter auszuüben und dass auch bei anderen Parteien ähnliche
Stimmungen herrschen.“186
Zur selben Zeit erreichten die Jewish Agency scharf formulierte Protestnoten einzel-
ner zionistischer Parteien, die sich über den Verteilungsmodus des Amtes empör-
ten und die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten entschieden ablehnten.
Einem Schreiben des Landesverbandes der religiösen Zionisten „Misrachi“ zufolge
wäre für die erste Vergabe des Jahres 1933 „das beste und geeignetste Material“
gestellt worden – „durchwegs tüchtige Arbeiter mit bester Qualifikation, alte gute
und bewährte Zionisten, die alle die obligate Hachscharah haben“. Dennoch „wurde
durch unjüdische und unmenschliche vereinstechnische Tricks und durch dikta-
torische Gewaltstreiche ein Antrag eines gewissen Herrn Dr. Rottenberg, den man
vor noch ganz kurzer Zeit überhaupt nicht in der zion. Organisation kannte, unter
Ausschluss jedweder Debatte, was an und für sich schon unfair und illegal
erscheint, ohne irgendeine Motivierung angenommen, nach welchem kein einzi-
ger Misrachist [Hervorhebungen im Original, Anm.] ein Zertifikat bekommt.“
Der Verfasser fährt erzürnt fort:
„Zur Schande des ganzen Zionismus“ wurden Personen ausgewählt, „1. die
weder zionistisch organisiert sind, noch eine blasse Ahnung vom Zionismus,
aber scheinbar gute Verbindungen haben; 2. die absolut niemals vor der
vorgeschriebenen Kommission erschienen sind; 3. die keine qualifizierten,
zu produktiver Arbeit fähigen ‚Arbeiter‘ sind; 4. die zum Teil Berufe ha-
ben, für welche sie in Erez Israel gegenwärtig überhaupt keine Aussicht auf
Betätigung haben können; […] 7. die zu 60% der zionistischen Ideologie
ganz fremd, ja vielleicht sogar feindlich gegenüberstehen; 8. die zu 80% kein
einziges Wort hebräisch sprechen und somit die ganze Zuteilung direkt zu
einer pseudozionistischen Farce degradieren.“187
Untermauert wird der nach Ansicht des „Misrachi“ „skandalöse Beschluss“ durch
die namentliche Anführung und Beschreibung der „unwürdigen und unfähigen“
Kandidaten („für Erez Israel wirklich sehr zweifelhafte Existenzen“), welchen eigene
Bewerber gegenübergestellt wurden, die „eine vorzügliche und langjährige zionis-
tische Schulung haben“ und sich „ununterbrochen in der Organisation betätigen“.
Trotz der eher einseitigen und überzogenen Schilderung scheint das Auswahlproze-
dere der Palästina-Amts-Kommission, die eigens mit dem Zweck gegründet worden
186 CZA, S6/2541, 2542.
187 „Misrachi Landesverband für Österreich“ an das Immigrations-Department der Jewish Agency,
19. 7. 1933. CZA, S6/2542.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918