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Die Fünfte Alijah
Spezifika
Aufgrund der Signifikanz für die Geschichte Palästinas und vorausblickend für jene
des Staates Israel im Allgemeinen, für die jüdische Palästina-Wanderung im Beson-
deren sowie für die Flucht der europäischen Jüdinnen und Juden aus dem faschis-
tischen Europa erscheint es lohnend und notwendig, sich mit der Fünften Alijah
(1929 bis 1939) im Detail auseinanderzusetzen und dabei auf verschiedene Aspekte
einzugehen. Einige Anmerkungen zum Charakter der Immigrationsperiode sollen
vorausgeschickt werden. Bei der Frage nach den Ursachen des massiven Anstiegs
der jüdischen Einwanderung (zu den Zahlen siehe unten) muss der Blick wie bei
den früheren Alijoth auf die Situation in den Herkunftsländern gerichtet werden.
Zweifellos ist der Zuwachs primär auf die nationalsozialistische Machtergreifung
zunächst in Deutschland, danach in Österreich und der Tschechoslowakei sowie
auf die zu der Zeit seit Jahren bestehende und sich durch die Weltwirtschaftskrise
noch einmal verschärfende wirtschaftliche Notlage vor allem der osteuropäischen
Staaten zurückzuführen. Die Vereinigten Staaten und viele andere Länder schränk-
ten die Einwanderungsmöglichkeiten infolge der ökonomischen Krise zusätzlich
ein, wodurch der Blick der „Auswanderungswilligen“ auf Palästina gelenkt wurde.
Dass dem Land allerdings – so der Hinweis bei Yechiam Weitz242 – in den Augen
europäischer Jüdinnen und Juden während der 1930er Jahre zum ersten Mal die
Rolle eines sicheren, Schutz spendenden Hafens zugekommen wäre, kann nicht
nachvollzogen werden, stellte es doch auch in allen früheren Einwanderungspha-
sen einen Zufluchtsort für die in den verschiedenen Staaten bedrängte jüdische
Bevölkerung dar. Das Ausmaß der Auswanderung als Indikator für den politi-
schen, wirtschaftlichen und sozialen Status der Jüdinnen und Juden zu begreifen,
ist letztlich ein Spezifikum der jüdischen Migrationsgeschichte. Was hingegen nicht
bestritten werden kann, ist, dass die Alijah in ihrer Funktion als Fluchtbewegung
im Laufe ihrer fünften Periode einen erheblichen Bedeutungszugewinn verzeich-
nete
– dies allein deshalb, weil Judenverfolgungen in mehreren Staaten gleichzeitig
zum „politischen Programm“ gehörten. Neuartig an dieser Migrationsbewegung
war außerdem, dass sie erstmals zu großen Teilen von mitteleuropäischen Jüdin-
nen und Juden getragen wurde. Der (vermeintlich) hohe deutsche Anteil an der
Fünften Alijah führte sogar dazu, dass die Einwanderung der Jahre 1929 bis 1939
inoffiziell „Deutsche Alijah“ genannt wurde. Da die deutschen Jüdinnen und Juden
mit 36.000 Einwanderinnen und Einwanderern zwischen 1932 und 1939 nur 19
Prozent der Gesamtimmigration stellten, müssen nach Weitz andere Gründe für
die Namensgebung ausschlaggebend gewesen sein: Im Gegensatz zum quantitativen
Anteil war das Gewicht der deutsch-jüdischen Immigrantinnen und Immigranten
242 Weitz, Yishuv, S. 134.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918