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Die Vertreibung und Flucht österreichischer
Jüdinnen und Juden nach Palästina 1938
bis 1945
Die nationalsozialistische
Vertreibungspolitik
„In ganz Europa wollten viele die Juden damals ein für allemal loswerden,
diese fiebrigen Europhilen, die das ganze Sortiment europäischer Sprachen
beherrschten, Europas Dichter deklamierten, an Europas erhabene Moral
glaubten, für seine Ballett- und Opernkunst schwärmten, seine Traditionen
pflegten, Europas postnationale Einheit erträumten, sich für europäische
Umgangsformen, Kleidung und Moden begeisterten, Europa uneinge-
schränkt und bedingungslos liebten und jahrzehntelang, seit Beginn der
jüdischen Aufklärungszeit, alles Menschenmögliche getan hatten, um ein
wenig Europas Gefallen zu finden, auf jedem Gebiet und auf allen Wegen
sein Wohl zu mehren, eins mit ihm zu werden, seine kühle Feindseligkeit
durch heißes Werben aufzubrechen, sich beliebt zu machen, zu beschwich-
tigen, akzeptiert zu werden, dazuzugehören, geliebt zu werden – […].“292
Obwohl er sich nach dem Lande Israel sehnte, das jüdische Aufbauwerk ideologisch
wie finanziell unterstützte und sich selbst als kämpferischen Zionisten betrachtete,
konnte sich Amos Oz’ Großvater zunächst nicht dazu entschließen, seine Heimat
Litauen in Richtung Palästina zu verlassen. Für sich und seine Familie fasste er ein
Emigrationsland ins Auge, das „etwas weniger asiatisch als Palästina und etwas
europäischer als das immer finsterer werdende Wilna sein sollte.“293 Erst die im
Laufe der 1930er Jahre immer restriktiver werdende Aufnahmepolitik zahlreicher
westlicher Staaten veranlasste die Klausners
– so der ursprüngliche Name des israe-
lischen Schriftstellers
– dazu, nach Palästina auszuwandern. Wenn Oz seinen Groß-
vater in Bezug auf die nationalsozialistische Bedrohung auch als „blind“ bezeich-
nete, besaß dieser nichtsdestotrotz genügend Weitsicht, Europa 1933 den Rücken
zu kehren
– die überwiegende Mehrheit der europäischen Jüdinnen und Juden, die
sich vor allem in den west- und mitteleuropäischen Ländern häufig weniger mit
292 Oz, Liebe und Finsternis, S. 182.
293 Ebda., S. 181.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Title
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Subtitle
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Author
- Victoria Kumar
- Publisher
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Size
- 15.6 x 23.4 cm
- Pages
- 216
- Keywords
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Categories
- Geschichte Nach 1918