Page - 2 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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sellschaften und einer Geschichtspolitik, die von „Erinnerungskriegern“ (Bern-
hardundKubik2014)wiederPiSinPolenundFidesz inUngarnderzeitbetrieben
wird?
Im Zentrum steht die Frage, wie die Zeit des ZweitenWeltkriegs in großen,
durchöffentlicheGelder(mit-)finanziertenGedenkmuseen,dienach1989(wieder-)
eröffnet wurden, in den elf postsozialistischen EU-Mitgliedsländern repräsentiert
wird.DenKontextbildendereuropäischeEinigungsprozess, insbesonderedie ‚Eu-
ropäisierungderErinnerung‘unddieBemühungen,GeschichtenachdemFallder
sozialistischen Regime neu zu erzählen. Über einen Überblick über dieMuseen,
ihreEntstehungsgeschichteunddieFrage,wassie repräsentieren,hinausgehend
wurde untersucht, wie ‚doppelte‘ bzw. ‚dreifache‘1 Okkupation und der Holo-
caust, wie Opfernarrative undKollaboration in den jeweiligenDauerausstellun-
genundMuseumsführern verhandeltwerden, aber auch,welcheAuswirkungen
die EU-Beitrittsbemühungen auf dieses Aushandeln hatten und autoritäre Ten-
denzen heute haben. Dass einige ‚ständige‘Ausstellungen nach 1989mehr als
einmal verändertwurden, erlaubtuns, denWandelunddieDynamikderOpfer-
narrative, derExternalisierungvonVerantwortungunddes „negativenGedächt-
nisses“ (Koselleck 2002) in Bezug auf TäterInnenschaft und Kollaboration des
‚eigenen‘Kollektivs zu untersuchen. Dies geschieht besonders imHinblick dar-
auf, wie dieMuseen auf ‚europäische Standards‘ rekurrieren und inwieweit sie
den von Holocaust-Museen ausgehenden Trend übernehmen, das individuelle
Opfer indenMittelpunktzurücken.
Aufgrund des autoritären Backlashs vor allem in Ungarn und Polen rückte
dabei die FragenachdemZusammenhangzwischenDemokratieentwicklungund
Geschichtspolitik (Forest und Johnson 2011) immer stärker in den Vordergrund
meinerAnalyse.DreideruntersuchtenMuseenexistiertenbereits inder sozialisti-
schenÄra.Dies erlaubt es, dieAufarbeitungderVergangenheit inder Liberalisie-
rungsphase der 1960er Jahre im Unterschied zu den repressiveren Jahrzehnten
davor unddanach zu beleuchten.Mit der Einführungdemokratischer Strukturen
gehendannnach1989auchderBruchmitdemstarrensozialistischenGeschichts-
narrativunddieAufarbeitungder im jeweiligenLandbishermarginalisiertenund
tabuisierten Erinnerungen einher. In den 1990er Jahren sind aber insbesondere
auch die autoritär-geschichtsrevisionistischen Präsidentschaften von Franjo Tuđ-
man inKroatien undVladimirMečiar in der Slowakei von Interesse–wie später
derautoritäreBacklashunterderRegierungViktorOrbánII inUngarnab2010und
1 DiedreibaltischenStaatenwurdenimJuni 1940vonderSowjetunionbesetztund imAugust
indieseeingegliedert, 1941vom ‚DrittenReich‘ („ReichskommissariatOstland“),dann1944er-
neutvonderSowjetunionbesetzt.
2 1 Einleitung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918