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Aus jedempostsozialistischenEU-Landhabe ich jeweilsein3öffentlich (mit-)
finanziertesMuseumausgewählt, inwelchemdie Zeit des ZweitenWeltkriegs–
oftmals verschränkt mit der sozialistischen Ära – behandelt wird und das bei
Staatsbesuchenden ausländischenStaatschefInnen vorgeführtwird, um sie die
GeschichtedesLandes ‚besserverstehen‘zu lassen.Sofernmöglich,wurdedas re-
präsentativsteMuseuminder jeweiligenHauptstadtgewählt–einsolchesexistiert
aber inPrag,BratislavaundZagrebnicht,weshalbnebendemAufstandsmuseum
inBanskáBystricamit Theresienstadt und Jasenovac auch zweiGedenkstätten in
dieAnalyse einbezogenwurden. Es handelt sichhierbei um in ihrerAusrichtung
unterschiedliche Museen, die jedoch alle – entsprechend der unterschiedlichen
Botschaft, die das jeweilige Land an ‚das Ausland‘ und ‚Europa‘ senden will –
einender aktuellenkanonisierten lieuxdemémoire (Nora 1990) einesLandesdar-
stellen.4 Jedesdieser ‚Vorzeige‘museen imausgewähltenSamplehat inzumindest
einemPunkt einentsprechendesPendant: JasenovacundTheresienstadt sindGe-
denkstätten;dasHausdesTerrorsunddasMuseumderGenozidopferrekonstruier-
ten Folterzellen aus der NS- wie der sozialistischen Zeit; die Museen in Banská
BystricaundWarschaubehandelnAufstände (von1944);dasMuseumderOkku-
pation Lettlands unddas Zeitgeschichtemuseum inLjubljana sind inGebäuden
untergebracht, in denen zuvor sozialistischeMuseen zu einem anderen Thema
beherbergtwaren; dieGebäude in Tallinn undBanskáBystricawurden speziell
fürdieseMuseenerbautundsindaucharchitektonisch interessanteProjekte.Die
Untersuchungzeigt, dass sich entscheidendeParallelennicht etwazwischenden
scheinbar verwandtestenMuseenwiedenbeidenGedenkstättenmuseenoderden
zwei Aufstandsmuseen finden, sondern zwischen jenen Ländern, derenMuseen
eineähnlicheFunktioninderKommunikationmit ‚Europa‘erfüllen.
Damit lege ich die erste Typologie vonMuseen über die Zeit des Zweiten
Weltkriegs inallenpostsozialistischenEU-Mitgliedstaatenvor. Ichunterscheide
zwei Pole in Bezug auf diese Kommunikation mit ‚Europa‘während der EU-
Beitrittsverhandlungen:
3 Einzig imungarischenFallwurdenzweistaatlicheMuseeninBudapestuntersucht,dabeide
vonViktor Orbán initiiert wurden, aber völlig gegensätzliche Geschichtsnarrative ausstellen.
JüdischeMuseenwurdenalsPartikularnarrativ (Marchart 2016, 78) zurKontextualisierungder
zehn staatstragendenMuseen herangezogen, aber nicht systematisch imdiachronenWandel
analysiert.
4 DasStaatlicheMuseumAuschwitz-Birkenauwurde ausgespart, da es sichumden transna-
tionalsten aller Gedenkorte handelt und somit nur bedingtAusdruck aktueller polnischerGe-
schichtspolitik ist. Die ehemalige DDR istmit den anderen postsozialistischen Ländern nicht
vergleichbar,dadieAufarbeitungderVergangenheitvondergesamtdeutschenGeschichtspoli-
tiküberschriebenwurdeundkeinEU-Beitrittbewerkstelligtwerdenmusste.
4 1 Einleitung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918