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not the agents of entirely rationalizedpolicy implementationprocesses, but un-
witting spokespersons voicing the currently accepted and understandable dis-
course“. (Wahnich2008,234)
3.2 LeitnarrativundStoryline
Das Leitnarrativ eines Museums fungiert als überwölbende These, während
die Storyline die unterstützende Argumentationskette liefert –mithilfe von
3D-Objekten, Fotografien, Videos, Dokumenten etc. (MacDonald undFyfe 1996)
ImFokusstehtdieAnalysederständigenAusstellungenundMuseumsguidesder
zehnMuseenunddieHerausarbeitungeinerTypologiederNarrative.Auchwenn
aufdervorherigenEbenedieProzesshaftigkeitvonMuseenundderenDaueraus-
stellungensowiedieRolle verschiedenerAkteurInnenundpolitischerVerstri-
ckungen in den Blick genommen wurde, so gilt es hier, den „Zeigegestus“
(Muttenthaler undWonisch 2003, 59) ernst zu nehmen. Bei der Analysewird
zwar imHinterkopf behalten, dass Sichtbares undunsichtbar Gebliebenes un-
lösbarmiteinanderverbundensind,dennochwirdhierdierealisierteAusstellung
als ‚Produkt‘deszuvorbeschriebenenAushandlungsprozessesuntersucht.
AllezehnsystematischuntersuchtenMuseensowieweitere fürdenKontext
relevanteMuseenbzw. ständigeAusstellungenhabe ichumfassend fotografiert
(1.000–2.000AufnahmenproMuseum)unddieVideosaufgenommen,umeine
erschöpfende Analyse und Beantwortung neu auftauchender Fragen auch zu
einemspäterenZeitpunktzuermöglichen.36
Leitfragen auf dieser Ebene der diskursanalytischen Untersuchung sind:
AuswessenPerspektivewird ‚dieGeschichte‘erzählt,wessenGeschichtenwer-
denmarginalisiert? Liegt der Fokus aufMassenverbrechen,Krieg,Okkupation,
WiderstandoderKollaboration?WelcheRolle spielen imVergleich zumNarra-
36 Die einzige Ausnahme ist hier dasHaus des Terrors, das eine Fotografiegenehmigung zu
ForschungszweckenohneBegründungverweigerteundmireinzigdieVerwendungderaufder
Museumswebseite publiziertenFotografien erlaubte.Daes sichhierbei umÜberblicksaufnah-
men gesamter Räumehandelt unddieAusstellung als einzige bloß in der Landessprache ge-
halten ist,musste indiesemFall zusammenmit einerungarischenAssistentin in einerAudio-
Aufnahme jedes Exponat, FotoundVideobeschriebenund jeder Text für die spätereAnalyse
übersetzt werden. Es kann nur gemutmaßtwerden, dass der Grund für diese Politik die von
Anfangananhaltendescharfe internationaleKritikandieser Institution,desAushängeschilds
der FideszschenGeschichtspolitik, ist. Die Ablehnung der Fotogenehmigung erfolgte im Juni
2014, also noch vor demexpliziten anti-europäischen Schwenkder RegierungOrbán, könnte
aberbereits imSinnedesaktuellenautoritärenBacklashs inUngarngedeutetwerden.
3.2 LeitnarrativundStoryline 41
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918