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tivderMehrheitsbevölkerungdieErinnerungenderMinderheiten,etwader rus-
sischsprachigenBevölkerung imBaltikum,wennüberhaupt? Gibt es Verweise
auf internationaleAkteurInnenoderVorbilderundwenn ja, aufwelcheWeise?
Manche der Fragen tauchten erst im Vergleich der Museen auf, etwa warum
zwei der drei baltischenLänder ihreMuseen ‚MuseumderOkkupation(en)‘ge-
nannt haben, während das litauischeMuseum von 1992 bis 2018 den Namen
MuseumderGenozidopfer trug,der radikaler aufdieThesevom ‚doppeltenGe-
nozid‘ (HimkaundMichlic2013, 17)abzielte.
Zentral fürdieAnalysedesLeitnarrativs sindnebendenAusstellungenauch
dieMuseumsführer, die imFall von sechs der zehnMuseen auch eineUntersu-
chungdesdiachronenWandelsdesNarrativserlauben.DieZahlderverfügbaren,
vondenMuseenpubliziertenFührerundAusstellungskatalogevariiert starkvon
MuseumzuMuseum,jenachdem,obesbereits indersozialistischenÄraexistiert
hat oderwieoftdieAusstellunggeändertwurde.Es folgt eineÜbersichtder ins-
gesamt 53 Publikationen, die einer Diskursanalyse37 (und auf der nächstenme-
thodologischenEbeneaucheinerBildanalyse)unterzogenwurden,auchum–wo
diesmöglich ist–dendiachronenWandel der ständigenAusstellungen zu erfas-
sen. (Tab. 1) Das Leitnarrativwird imHinblick auf folgende Fragenuntersucht:
WaswirdalsProblemidentifiziertundwelcheLösungsvorschlägegibtes?Werist
das ‚wir‘ in der Erzählung,wer die ‚anderen‘?Wirddie Geschichte vonHelden-
tum,Opferschaft,KollaborationoderTäterschafterzählt–odereineKombination
daraus?WelcheKollektivsymbole (Link2006,413)werdenverwendet: ‚helle‘und
‚dunkle‘historischePerioden, ‚Reinheit‘desnationalenKollektivs,Dämonisierung
des ‚Anderen‘, das Telos der historischen Wahrheit? In welchem Verhältnis
steht ‚negativesGedächtnis‘, alsodieAufarbeitungder vomeigenenKollektiv
(mit-)verantwortetenVerbrechenundder Ideologien, imNamenderer sie be-
gangenwurden,zur (kollektiven)Selbstviktimisierung?
37 Die inderOriginalsprachedes jeweiligenLandespubliziertenMuseumsführerwurden, so-
fernnötig,mithilfemuttersprachlicherAssistentInnen,mit denenglisch-unddeutschsprachi-
genVersionen abgeglichen. Die Analyse bezieht sich auf die Übersetzung und die (wenigen)
explizitenAbweichungenvomOriginalbzw. implizitmitschwingendeabweichendeBedeutun-
genwerden indieAnalyseeingeflochten.Das ‚Fehlen‘vonGedenkmuseen inSofiaundBuka-
resthabe ichunterEinbeziehung jenerMuseenundMuseumsguidesuntersucht, indenender
ZweiteWeltkriegvorkommt:dernationalenGeschichte-undMilitärmuseenusw.
42 3 Methodologie
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918