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specifichistorical contextofherproductionandoriginaluse through theuseof labels, or
theiromission. (Holtschneider2011, 16)
WerdenFotografien,dieTäterInnenvon ihrenOpferngemachthaben (Hördler,
Kreutzmüller und Bruttmann 2015) und die die Opfer stereotyp oder erniedri-
gend abbilden, auf andereWeise ausgestellt als private Aufnahmender Opfer
aus ihrem Leben ‚davor‘ oder geheime Zeugnisse der Verfolgung und Vernich-
tung?Welche„IkonenderVernichtung“ (Brink1998),alsozuvisuellenSymbolen
gewordene Fotografien, finden sich in den hier untersuchtenMuseen?Werden
die ‚eigenen‘Opfer aus derMehrheitsbevölkerung anders visuell dargestellt als
die Opfer der ‚anderen‘?Werden in der Ausstellung und imMuseumsguide vor
allemberühmtePersonenundHeldInnengezeigtoder ‚normale‘Menschen?Sol-
len diese ‚normalen‘Menschen dann ‚typische‘ VertreterInnen, etwa Jüdinnen
und Juden oder Romnija und Roma repräsentieren, was die Gefahr des Fort-
schreibensvonStereotypenbirgt?DieAusstellungenundMuseumsführerwurden
entlangdieserFragenanalysiertundschließlicheinepostsozialistischeSpezifikvi-
suellerDarstellungen indenMuseendiskutiert:dieMontagevisuellerElemente in
einerWeise,welchedieGleichheitnationalsozialistischerundstaatssozialistischer
Verbrechensuggeriert.
WährendDiskursanalysebereits zuvor auf der EbenedesLeitnarrativs ein-
gesetzt wurde,wird auf dieser drittenAnalyseebene darüber hinaus nach den
Inhalten der Texte in denAusstellungenundGuides imDetail gefragt.Wer ist
das ‚wir‘ in der Erzählung undwiewird es charakterisiert (als Opfer, TäterIn-
nen, KollaborateurInnen,WiderstandskämpferInnen, HeldInnen etc.)?Welche
‚anderen‘kommenvorundwiewerden sie charakterisiert?Als zentraler Punkt
stellte sich imZugederAnalyseder zehnMuseendieFrageheraus, ob ‚unsere‘
Opferandersdargestelltwerdenals ‚andere‘Opfer. IstvonOpfernals Individuen
oderetwaderStadtWarschauoderderNationalsKollektivopferdieRede?
Schließlich habe ich die drei Analyseebenen verknüpft. Dies erlaubt es,
unter anderemder Frage nachzugehen, ob sich erst durchdieVerbindungder
Analyseebeneneine ‚Hierarchie der Sichtbarkeit‘offenbart.Werden individuelle
TäterInnen oder bestimmteOpfergruppen in der Ausstellung zwar thematisiert,
jedochnicht auf prominentenTexttafeln, sondernnur auf denComputerarbeits-
plätzen, sodassdieBesucherInnendiese Informationnurdann finden,wennsie
explizit danach suchen? Gibt es ferner eine ‚Hierarchie der Opfer‘? So betonte
etwa die Ausstellung imMuseumder Okkupation Lettlands (bevor sie 2012 für
denUmbau aus demGebäude ausgezogen ist) auf der Ebene des Leitnarrativs,
die Ausstellung sei nicht nur der ersten und zweiten sowjetischen Besatzung,
sondernauchderNS-Besatzunggewidmet. ImVergleich zudenbeidenanderen
baltischenMuseen traf dies auch in stärkeremAusmaß zu.Doch auf der Ebene
3.3 Ästhetik,Objekte,VisuellesundTexte imDetail 49
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918