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Teilbereichs der Theresienstädter Geschichte hinaus. Die ideologischen Zwänge, das
Fehlenwissenschaftlicher Betreuungund einerMuseumspädagogik ließendieGedenk-
stättestagnierenunderstarren. (Benz2013,235)
Wie schon im slowakischen und jugoslawisch-kroatischen Fall brachten auch in
Theresienstadtdie1960erJahreeinenentscheidendenWandel.Dieser lässtsichan-
handderwechselndenMuseumsleitungverdeutlichen: 1964wurdeVáclavNovák
vonMiroslav Grisa, der viele Neuerungen einführte, als Direktor abgelöst, Grisa
1966 interimistisch durch Novák ersetzt, bis 1967mit Miroslav Pávekwieder ein
neuer Leiter berufenwurde, der dazu beitrug, aus dem veraltetenMuseum eine
moderne Institution48 zumachenundsich fürdieEinrichtungeinesGhetto-Muse-
umseinsetzte,bis imZugeder ‚Normalisierung‘ 1970wiederumNovákalsDirektor
eingesetztwurde. (Munk2007, 15–17;Heitlinger2012,55) 1968stelltedie tschecho-
slowakischeRegierung fest, dasVerhältnis zwischenantijüdischem rassistischem
TerrorderNationalsozialistInnenundderenRepressaliengegenüberdenVertrete-
rInnendesorganisiertenantifaschistischenWiderstandsseinochnichtgebührend
dargestellt. (Blodig 1995, 238;Munk2007, 14)AkzeptiertwurdedieUnterstützung
einiger Projekte wie der Errichtung des jüdischen Friedhofs beim Krematorium
durchdie JüdischeGemeinde inWien,wasvorher alswestlicheEinmischungun-
denkbargewesenwäre. (Blodig1995,239)
DieneueDauerausstellungausdemJahr liberalerReformen,1965,konzipier-
tenGedenkstättenmitarbeiterInnen,derVerbandantifaschistischerKämpferund
dasJüdischeMuseuminPrag.SiewidmetesichnunganzdenVorgängenvorOrt,
inkludierte die Lebensumstände der InsassInnen und bezog neben der Kleinen
FestungauchdasGhetto ein. (Lunow2015, 353) Indieser liberalenPhasewurde
dasGebäudeder„AltenSchule“,die imGhettoalsUnterkunft fürKnabengedient
hatte, fürdieErrichtungdesGhetto-Museumsgeräumt,dieAngestelltensammel-
tenbereitsMaterial fürdieAusstellung, führtenhistorischeForschungdurchund
knüpften Kontakte mit KünstlerInnen sowie westlichen Gedenkstätten. (Blodig
1995, 238;Munk2001, 19)DasAusstellungskonzept erarbeitetendreiMitarbeite-
rInnenderGedenkstätte, zweiMitarbeiterInnendesStaatlichen JüdischenMuse-
ums sowie derHistorikerMiroslav Kárný. (Hallama 2015, 128) Der Schwerpunkt
sollte hier auf demAntisemitismus als Verfolgungsgrund liegen und nicht auf
derDeutungdesZweitenWeltkriegsals imperialistischemEroberungskrieg.
48 Auch die Einrichtung einer historischenAbteilung unddie Anstellung vonmehr und vor
allem qualifizierten MitarbeiterInnen trugen entscheidend zur Professionalisierung der Ge-
denkstättebei. (Heitlinger2012,55;Hallama2015, 103)
4.1 Vor1989:DieMuseen indersozialistischenÄra 65
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918