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Nicht-UmbesetzungvonRichterInnenundPolitikerInnenalsmangelndeAufarbei-
tungzubezeichnen,wiediesetwaTroha(2017,343) tut.
InBezugaufdenZweitenWeltkriegerfolgteeinesystematischeNeudeutung
derZeitzwischen1941und1946[…]erstEndeder90er-Jahre.ErstabdiesemZeitpunktwurde
diegesamteWiderstandsbewegungalskommunistischgedeutetunddurchdieGleichsetzung
mitderkommunistischenRevolutiondelegitimiert,währenddieMassenmordeanKollabora-
teurennachdemKrieg immer stärker betontwurden.Anstatt einerAufarbeitungder Tabus
ab dem Einsetzen der Demokratisierung und der Konzentration auf die damit notwendige
UmschreibungsetzteeinbeträchtlicherTeilder slowenischenHistorikerInnenaufeinestarre
revisionistischeGeschichtserzählung. (LutharundRadonić2010,345)
Die bürgerlich-konservativen Kreise, die von 2004 bis 2008 erstmals eine volle
Amtszeit an der Regierung blieben, drängten also auf die dringend notwendige
AufarbeitungderPartisanInnenverbrechen–undverharmlostendabeidieNS-Kol-
laborationals ‚funktionelleKollaborationgegendengottlosenKommunismus‘. In
diesemSpannungsfeldbewegt sichdieslowenischeVergangenheitspolitik seitder
Unabhängigkeit.
DasZeitgeschichtemuseumSloweniensinLjubljanaisthierfüreinschlagendes
Bespiel. (Abb. 11) Es ist unter all dendiskutiertenMuseen insoferneinSonderfall,
alssichhier innerhalbein-unddesselbenMuseumszweiwiderstreitendeNarrative
finden.DasbarockeSchloss (Lozic2011,89)beherbergteseit 1952dasMuseumder
Volksrevolution57undwurde1994,vergleichsweisealso rechtspätnachderUnab-
hängigkeit Sloweniens 1991, inZeitgeschichtemuseumumbenannt. 1996erhielt es
seine erste postsozialistischeDauerausstellung über „Slowenen im 20. Jahrhun-
dert“, die 1998 für den EuropeanMuseumof the Year Award nominiert wurde,
jedoch in der internationalenwissenschaftlichen Literaturmit einer Ausnahme
(Lozic2011)völligunbeleuchtetgebliebenist.
Bis 1996 hatte sich derWandel der Geschichtspolitik des nunmehr unab-
hängigenSlowenienimMuseumvorallemintemporärenAusstellungennieder-
geschlagen.58Dochauch inderneuenAusstellung ist der Teil überdie Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg sehr traditionell gestaltet: Texttafeln und Fotos, allen
voran von Kaiser Franz Joseph, an denWänden sowie einige Objekte in zwei
57 1952wurdedas Schloss zu einemMuseumumgebaut, indemnachPlänendesArchitekten
EdoMihevc einMezzanin über demErdgeschoss eingezogenwurde. 1992wurde das Schloss
erneut vomArchitekten Jurij Kobe umgestaltet, der den Dachboden zu einem Speicher um-
baute und auf der Rückseite einen Aufzug aus Stahl und Glas einbauen ließ. Das Schloss
wurdezueinemKulturdenkmalerklärt. (www.culture.si/en/Cekin_Mansion)
58 DieThemenwaren:Posters–Electionsof1990;TwentyYearssincetheFoundationof theDemo-
craticOppositionofSlovenia,DEMOS;Twentyyears since theFoundationof theSlovenianChristian
DemocratsundTwentyYearssincetheFoundationofGreensofSlovenia. (Lozic2011,91)
82 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Title
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Subtitle
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Author
- Ljiljana Radonić
- Publisher
- DE GRUYTER
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 338
- Keywords
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918